Data Driven GovernmentZukunft der Verwaltung?

[23.04.2019] Wie wäre es, wenn die Verwaltung dem Bürger auf Basis der ihr bekannten Daten Dienstleistungen proaktiv und digital anbietet? Mit dieser Fragestellung hat sich eine Kurzstudie des Nationalen E-Government-Kompetenzzentrums befasst.
Data Driven Government: Verwaltung kommt auf den Bürger zu.

Data Driven Government: Verwaltung kommt auf den Bürger zu.

(Bildquelle: PEAK Agentur für Kommunikation)

Wie kann eine neue Stufe der Verwaltungsmodernisierung erreicht werden? Hier könnte, wie in vielen anderen Bereichen, das Handeln auf der Basis von Daten entscheidend sein. Welche Rolle können Daten aber spielen? Eine vom Nationalen E-Government-Kompetenzzentrum (NEGZ) geförderte Kurzstudie des IT-Dienstleisters regio iT und des Berliner Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft (wir berichteten) geht dieser Fragestellung nach.
Unter dem Stichwort Data Driven Government wird untersucht, welche Potenziale eine datenbasierte Verwaltung hat. Verbunden damit ist die Vorstellung, dass dem Bürger auf Basis seiner der Verwaltung bekannten Daten Verwaltungsdienstleistungen proaktiv und mittels digitaler Technologie angeboten werden. Damit ginge ein Paradigmenwechsel in der Verwaltung einher, mithin auch die Infragestellung bisheriger Verfahrensregeln.

Staatliches Handeln in neuer Dimension

Datenbasiertes Verwaltungshandeln kann eine neue Dimension modernen staatlichen Handelns eröffnen. Wenn das Kindergeld automatisch ausgezahlt wird, und man die Möglichkeit hat, nach erstmaligem Antrag automatisch einen neuen Anwohnerparkausweis per E-Mail oder postalisch zu erhalten, profitieren sowohl Bürger als auch Verwaltung. Dazu muss der Staat unter Achtung der individuellen Datensouveränität der Bürger Datenbestände so verknüpfen, dass Leistungen generiert werden können, die zuvor nicht denkbar waren.
Warum soll mit der Ausstellung der standesamtlichen Geburtsurkunde nicht auch die Auszahlung des Kindergelds in Gang gesetzt werden? Voraussetzung ist hierfür allerdings, dass die in Deutschland auf eine Vielzahl verschiedener Register verteilten Informationen zusammengeführt werden und dass dies auf Basis höchster IT-Sicherheit und unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorgaben geschieht. Eine datenbasierte Verwaltung kann enorme Effizienzsteigerungen und Verbesserungen mit sich bringen. Sie kann einerseits dazu beitragen, dass Masseverfahren, die typische Lebenslagen mit repetitiven Verfahrensschritten enthalten, zügiger und weniger fehleranfällig verlaufen. Andererseits kann sie einen Beitrag zu materieller Gerechtigkeit leisten, wenn und soweit Betroffene in herkömmlichen Verwaltungsverfahren etwa durch einen falsch oder gar irrtümlich nicht gestellten Antrag Nachteile oder Einbußen hinzunehmen gehabt hätten.

Dashboard fürs Management

Notwendig für die datenbasierte Verwaltung ist ein entsprechendes Management-System. Hier bietet sich als IT-Lösung ein zentrales Dashboard für die Kommunikationsbeziehungen zwischen Bürgerschaft und Verwaltung an. Dieses räumt Bürgern zudem die Möglichkeit ein, den Zugriff auf ihre Stammdaten zu regeln und berechtigte Zugriffe nachzuvollziehen. Die Verwaltung kann insoweit dezentral auf Daten zugreifen, ohne dafür – wie bisher – parallele Strukturen in Form von Datensilos bereitstellen zu müssen. Stehen wiederkehrende Verwaltungsdienstleistungen in Rede, etwa bei befristet erteilten Bewohnerparkausweisen oder sonstigen Berechtigungen, kommt als Instrument der datenbasierten Verwaltung ein Abonnement-Modell in Betracht. Hierbei werden in Fällen, in denen die Inanspruchnahme einer wiederkehrenden Leistung typisch ist, nicht erneut fehleranfällige und zeitaufwendige Eingaben von Primärdaten wie Name, Adresse und gegebenenfalls Aktenzeichen notwendig. Vielmehr könnten durch einen automatisierten, aber gleichzeitig nicht minder transparenten Prozess Synergien gehoben und Ressourcen geschont werden – sowohl aufseiten des Bürgers als auch aufseiten der Verwaltung.
Des Weiteren setzt sich die Studie mit informationstechnologischen Architekturüberlegungen einer datenbasierten Verwaltung auseinander. Zwar müssten Anwendungen der datenbasierten Verwaltung nicht bei beginnen. Als zu überwindende Hürde erweist sich jedoch der Umstand, dass noch keine elaborierten, durchgängig standardisierten Vorgaben für Schnittstellen der Fachverfahren existieren. Diese jedoch sind zwingend erforderlich, um eine effiziente Umsetzung und Anbindung vornehmen zu können.

Die Rolle des Rechts

In rechtlicher Hinsicht sind durch eine datenbasierte Verwaltung ganz unterschiedliche Bereiche angesprochen, wie etwa das Datenschutzrecht, das IT-Sicherheitsrecht, die E-Government-Gesetze, das Onlinezugangsgesetz und insbesondere das Verwaltungsverfahrensrecht. Das Recht hat dabei aber nicht nur eine begrenzende Funktion, es kann auch zu datenbasierten Anwendungen motivieren und zu deren Gestaltung beitragen. Dem Recht kommen also deutlich mehr Funktionen zu als nur die Begrenzung und Verhinderung. Ebenso können datenbasierte Dienstleistungen ganz unterschiedliche Auswirkungen haben. Im Datenschutzrecht etwa können sie dazu führen, dass das Datenschutzniveau im Ergebnis steigt. Dem IT-Sicherheitsrecht muss vor diesem Hintergrund die Aufgabe zukommen, nicht nur die Sicherheit der verwendeten Produkte und IT-Verfahren zu garantieren, sondern die gesamte Organisation einschließlich der Sphäre des Bürgers sicherheitstechnisch zu optimieren. Das Verwaltungsverfahrensrecht steht derweil vor der Aufgabe, auf die Dateninfrastruktur der Verwaltung einzuwirken, um insbesondere Grundprinzipien der Datenhaltung zu formulieren.
Fraglich werden vor dem Hintergrund einer datenbasierten Verwaltung die in vielen Fachgesetzen enthaltenen Antragserfordernisse. Der Antrag hat sich vor diesem Hintergrund einer Debatte über seine Notwendigkeit und seine zukunftsgerichtete Ausgestaltung zu stellen. Von verschiedenen Parametern wie etwa der Informations- und Datenlage oder von Gestaltungsmöglichkeiten der Antragsteller hängt ab, ob und in welchem Ausmaß ein Antragserstellungserfordernis automatisiert werden kann. Eine solche Umstellung verlangt eine genaue Analyse des Prozesses weit über das formale Verfahren und die Technik hinaus.
Ein genaues Verständnis der Prozesse gepaart mit dem Verständnis neuer technischer Möglichkeiten eröffnet der Verwaltung ganz neue Möglichkeiten und Potenziale. Wer die Prozesse kennt und die technischen Möglichkeiten erkennt, hat die Chance, Gestaltungspotenziale wahrzunehmen und eine neue Dimension der Verwaltungsmodernisierung einzuleiten.

Dr. Christian Djeffal ist assoziierter Forscher am Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft und Gastforscher am Center for Information Technology, Society and Law (ITSL) der Universität Zürich; Dr. Benjamin Fadavian ist Referent der Geschäftsführung bei der regio iT GmbH in Aachen. Beide Autoren sind Mitglieder des Ausschusses für Forschung und Projekte (AFP) des Nationalen E-Government-Kompetenzzentrums (NEGZ).




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: IT-Infrastruktur
Zahnräder greifen ineinander, wie Prozesse und Formulare via Picture und formcycle ineinander greifen.

Picture / XIMA Media: Schnittstelle vereint Prozesse und Formulare

[31.03.2025] Die Unternehmen Picture und XIMA Media haben eine Schnittstelle zwischen der PICTURE-Prozessplattform und dem Formularsystem formcycle realisiert. Somit können bei der Prozessmodellierung gezielt passende Formulare und Assistenten ausgewählt und mit dem Prozessschritt verknüpft werden. mehr...

CGI: Unterstützung bei Cloud-Dienstleistungen

[28.03.2025] Das Beschaffungsamt des Bundes und das IT-Unternehmen CGI haben eine Rahmenvereinbarung über Cloud-Dienstleistungen geschlossen. Mehr als 50 Bundesbehörden sollen diese nutzen können. Ziel ist es, Verwaltungsprozesse zu optimieren und digitale Services im Rahmen der Multi-Cloud-Strategie auszubauen. mehr...

Auf einem Monitor ist die Startseite der Deutschen Verwaltungscloud zu sehen

Deutsche Verwaltungscloud: Start in den Produktivbetrieb

[27.03.2025] Ab April steht die Deutsche Verwaltungscloud im Produktivbetrieb zur Verfügung. Als Produkt des IT-Planungsrats bietet sie Verwaltungen künftig einen einheitlichen Zugang zu Cloudservices und sorgt für mehr Transparenz bei deren Auswahl und Nutzung. mehr...

BVA: Testumgebung für das NOOTS

[24.03.2025] Das Bundesverwaltungsamt stellt eine NOOTS-Referenzumgebung bereit. Behörden können damit testen, wie gut ihre Systeme und Schnittstellen für den Datenaustausch im Rahmen der Registermodernisierung vorbereitet sind. mehr...

Nordrhein-Westfalen: Zuschlag für CGI

[20.03.2025] Das Unternehmen CGI wird Nordrhein-Westfalen weiterhin bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung unterstützen. Ein neuer Rahmenvertrag über 200 Millionen Euro sichert die Zusammenarbeit für die kommenden vier Jahre. mehr...

Zielbild OZG mit NOOTS

Registermodernisierung: Austausch beim Deep Dive

[20.03.2025] Die an der Registermodernisierung beteiligten Vertreterinnen und Vertreter aus Bund und Ländern haben sich beim NOOTS Deep Dive über die weitere Entwicklung der Architektur des National-Once-Only-Technical-Systems ausgetauscht. mehr...

Cover des PD-Positionspapiers "Eine zentrale Cloud-Infrastruktur"

PD: Positionspapier zur Verwaltungscloud

[10.03.2025] Einheitliche Cloudstrukturen könnten die Verwaltungsmodernisierung beschleunigen, Innovationen fördern und die IT-Sicherheit stärken, so das Beratungsunternehmen PD. In einem Positionspapier schlägt PD eine öffentlich-private Partnerschaft als Modell für eine föderale Verwaltungscloud vor. mehr...

Rechenzentrum von innen, Blick in eine Gasse mit blau beleuchteten Server-Racks.

ITZBund: Innovatives Master-Rechenzentrum

[07.03.2025] Das ITZBund nimmt derzeit ein hochmodernes Rechenzentrum in Betrieb. Mit innovativen Lösungen wie optimierter Kabelführung, effizienter Klimatisierung und hochsicheren Stromkabeln setzt es neue Maßstäbe in Technologie und Nachhaltigkeit. mehr...

Logo des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg

Amt für Statistik Berlin-Brandenburg: Zusammenarbeit mit GISA verlängert

[20.02.2025] Der IT-Dienstleister GISA wird das Amt für Statistik Berlin Brandenburg (AfS) auch in Zukunft bei der digitalen Transformation von Geschäftsprozessen unterstützen. mehr...

Composite-Bild einer Computer-Tastatur, die Enter-Taste mit einem Cloud-Symbol

Heinlein Gruppe: Open-Source-Cloud für die Verwaltung

[06.02.2025] Die Heinlein Gruppe startet OpenCloud – eine Open-Source-Plattform für DSGVO-konformes File-Management und digitale Kollaboration. Die Lösung will sich als sichere, digital souveräne Alternative zu den großen außereuropäischen Cloud-Service-Anbietern etablieren. mehr...

Eine Gruppe von acht Personen steht auf einem violett ausgeleuchteten Podium, im Hintergrund ein Banner mit der Aufschrift: Once Only Trechnical System.

BMI: EU-weites Once Only erprobt

[20.12.2024] Deutschland beteiligte sich am fünften Projectathon der EU-Kommission in Brüssel, um das grenzüberschreitende Once-Only-Prinzip zu testen. Erfolge wie das Projekt DENLAT und die grenzüberschreitende Gewerbeanmeldung zeigen, wie Daten effizient zwischen Mitgliedstaaten ausgetauscht werden können. mehr...

Composite: ein in blau gehaltener schemenhafter Computer-Arbeitsplatz, davor die Illustration eines Dokuments mit einem Schloss daran

BA/DRV/DGUV: Multi-Cloud-Strategie für Sozialversicherungen

[19.12.2024] Die Bundesagentur für Arbeit, die Deutsche Rentenversicherung und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung haben einen Rahmenvertrag mit dem Multi-Cloud-Broker Computacenter geschlossen. Dieser ermöglicht Zugriff auf Clouddienste von US-Hyperscalern und europäischen Anbietern. mehr...

S-Management Services: Neuer Service zur Aktualisierung von XÖV-Standards

[08.11.2024] S-Management Services bietet jetzt einen neuen Service, der es öffentlichen Verwaltungen erleichtern soll, stets aktuelle Versionen der XÖV-Standards einzusetzen. mehr...

Thüringen: NOOTS in Bundesverantwortung

[07.11.2024] Der Freistaat Thüringen unterstützt den Vorschlag von Bremen und Sachsen-Anhalt, dass die Bundesländer dem Bund die Verantwortung über eine wichtige föderale IT-Plattform überlassen. mehr...

Rechenzentrum von innen, Blick in eine Gasse mit blau beleuchteten Server-Racks.

OSBA: Sovereign Cloud Stack bleibt

[30.10.2024] Die Plattform Sovereign Cloud Stack wird nur noch bis Jahresende vom Bundeswirtschaftsministerium finanziert. Ein neu gegründeter Zusammenschluss von Open-Source-Unternehmen innerhalb der Open Source Business Alliance wird auch in Zukunft zentrale Ergebnisse absichern und die Weiterentwicklung der Standards gewährleisten. mehr...