OZG 2.0Zu wenig Schubkraft

[26.05.2023] Die Reaktionen auf den vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) fallen durchwachsen aus. So sehen der Deutsche Landkreistag, der Digitalverband Bitkom und der Nationale Normenkontrollrat zwar durchaus positive Ansätze, insgesamt reichten die beschlossenen Maßnahmen aber nicht aus, um eine Trendwende bei der Digitalisierung zu schaffen.

Das Bundeskabinett hat den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) und Eckpunkte für eine moderne und zukunftsorientierte Verwaltung beschlossen (wir berichteten).
Die Reaktionen auf das Maßnahmenpaket des Bundes für die digitale Verwaltung fallen verhalten aus. Dem Deutschen Landkreistages (DLT) beispielsweise gehen die Vorschläge zur Weiterentwicklung des OZG nicht weit genug. So nehme der Entwurf die Länder in die Pflicht, zukünftige digitale Antragsverfahren in die kommunalen Prozesse zu integrieren, also eine Ende-zu-Ende-Digitalisierung vor Ort zu gewährleisten. Das sei zwar ein längst überfälliger Schritt, meint DLT-Präsident Reinhard Sager, denn erst eine durchgehende Digitalisierung inklusive Schnittstellen entlaste die Kommunen von Mehrfacharbeiten. Jedoch seien hierfür verbindliche Standards, eine tragfähige Finanzierungsgrundlage und wirtschaftliche Betriebsmodelle notwendig. „Hier bleibt der neue Entwurf eine Antwort schuldig“, so der Landrat des Kreises Ostholstein. „Ohne die verbindliche Vorgabe von Schnittstellen, Standards und Strukturen wird die Änderung des OZG erneut nahezu verpuffen“, befürchtet er. „Auch fehlt es an einer dauerhaft tragfähigen Finanzierungsgrundlage. Wir fordern deshalb von den Ländern eine echte Ende-zu-Ende-Anbindung und einen Betrieb zu fairen Preisen“, sagte der DLT-Präsident.

Bitkom: Eine verpasste Chance

Als verpasste Chance, die Digitalisierung der Verwaltung wirklich konsequent voranzutreiben, bezeichnet der Digitalverband Bitkom den Entwurf. „Das OZG zur Digitalisierung der Verwaltung in Bund und Ländern ist krachend gescheitert, und die Nachfolgeregelung eines OZG 2.0 verheißt keine wirkliche Besserung“, moniert Bitkom-Präsident Achim Berg. „Der vorliegende Gesetzentwurf ist kein OZG 2.0, sondern allenfalls ein OZG 1.1.“. Er kritisiert, dass sich der Bund noch einmal fünf Jahre Zeit lassen will, bis seine eigenen Verwaltungsleistungen digital abgewickelt werden können. „Statt verlängerter Fristen, die am Ende wohl wieder einmal nicht eingehalten werden, brauchen wir einen Rechtsanspruch auf zentrale digitale Verwaltungsleistungen“, fordert Berg. „ Außerdem muss das Once-Only-Prinzip umgesetzt werden, sodass niemand mehr Daten eingeben muss, die bereits in öffentlichen Registern vorliegen. Nur so lässt sich der notwendige Druck aufbauen, um schnell das Ziel einer wirklich durchgehend digitalen Verwaltung zu erreichen.“ Zudem müsse dringend die öffentliche IT-Infrastruktur modernisiert und die Cloud-Nutzung massiv ausgebaut werden, um die hohe Nachfrage nach digitalen Verwaltungsleistungen durch die Unternehmen erfüllen zu können.
Für Unverständnis sorgt beim Bitkom, dass der Bund bei der digitalen Identifizierung ausschließlich auf die eID setzt. „Durch höchste Sicherheitsanforderungen für einfachste Behördengänge geht die Bundesregierung wieder einen eigenen Weg, der sich nicht an internationalen Erfahrungen und Standards orientiert“, sagt Achim Berg. „Das ist realitätsfern und schließt andere, ebenfalls sichere Identifizierungsverfahren unnötig aus.“ Für den Bitkom-Präsident zeigt das, dass auch das neue OZG die wichtigste Zielgruppe – die Bürgerinnen und Bürger – nicht in den Mittelpunkt rückt. „Dass es auch anders geht, haben Länder wie Dänemark vorgemacht, die durch einen Fokus auf Nutzerfreundlichkeit und Akzeptanz dafür gesorgt haben, dass digitale Behördengänge zum Alltag gehören.“ 

Kein Durchbruch für die digitale Verwaltung

Auch der Nationale Normenkontrollrat (NKR) sieht laut einer Pressemitteilung im Gesetzentwurf für das OZG 2.0 zwar neue Impulse für die Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland. Für die erhoffte Trendumkehr reichten die geplanten Maßnahmen allerdings nicht aus. „Gegenüber den ersten Versionen hat der vorliegende Gesetzentwurf an Substanz zugelegt. Gleichwohl wird der ersehnte Durchbruch in Sachen digitaler Verwaltung mit dem neuen OZG nicht erreicht werden können“, kommentiert der Vorsitzende des NKR, Lutz Goebel. „Damit bleibt das OZG 2.0 hinter den Erwartungen des NKR, aber auch vieler Verbände und der breiten Fach-Community zurück.“
In das Gesetz aufgenommen worden sei nur das, was im Vorfeld zwischen Bund und Ländern schon Konsens gewesen sei, entscheidenden Fragen weiche der Entwurf weiterhin aus. Etwa zur Plattformstrategie und Gesamtarchitektur, der Definition und verbindlichen Vorgabe von Standards und Schnittstellen, der einfacheren Verbreitung guter Software-Lösungen, ohne Wettbewerb und Innovationskraft zu verlieren oder der Frage, wie sich Umsetzungsdruck und Verbindlichkeit des OZG erhöhen lassen. „Am Ende fehlte es der Regierung an Zeit und Konsequenz, sich über diese wesentlichen Fragen klar zu werden und dafür gesetzliche Regelungen zu treffen. Die Regierung hätte das OZG 2.0 viel früher und ehrgeiziger angehen und die Erfahrungen der vergangenen fünf Jahre systematisch aufarbeiten müssen“, bemängelt Goebel.
Positiv bewertet der NKR, dass der Regierung diese Lücken im Gesetzentwurf wohl bewusst seien, weshalb ein Begleitpapier zum Gesetzentwurf beschlossen wurde, das die Ankündigung weiterer Maßnahmen enthält. Etwa, dass 15 priorisierte OZG-Leistungen bis 2024 flächendeckend Ende-zu-Ende digitalisiert werden sollen, beim IT-Planungsrat ein zentrales Budget zur Finanzierung der Entwicklung und Weiterentwicklung kostenloser Online-Dienste für Kommunen eingerichtet und eine Standardisierungsagenda aufgesetzt werden soll sowie Verwaltungsverfahren vor ihrer Digitalisierung gezielt entbürokratisiert werden sollen. Zudem will die Regierung prüfen, welche weiteren IT-Komponenten zentral bereitgestellt werden müssen, ob ein Rechtsanspruch auf digitale Verwaltungsleistungen etabliert werden kann und wie die Dresdner Forderungen konkretisiert und Verwaltungsleistungen stärker gebündelt werden können. „Diese Maßnahmen dürfen keine bloßen Absichtserklärungen bleiben“, heißt es vonseiten des NKR. „Ihre stärkere gesetzliche Absicherung würde mehr Verbindlichkeit ermöglichen. Sollte hierfür eine Änderung des Grundgesetzes nötig werden, sollte die Regierung davor nicht zurückschrecken.“





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