PolitikThüringer Sonderweg
Im Zuge der Corona-Pandemie hat die Bundesregierung Anfang Juni dieses Jahres ein Konjunktur- und Zukunftspaket mit einem Volumen von 130 Milliarden Euro für die wirtschaftliche Konsolidierung aufgelegt. Drei Milliarden Euro entfallen auf die staatliche Digitalisierung und sollen der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) dienen. Wie diese Summe investiert und verteilt werden soll, darüber hat sich der IT-Planungsrat in einer Sondersitzung Mitte September verständigt. Das Ergebnis: Die Gelder sollen den Bundesländern zur Verfügung gestellt werden – unter der Bedingung, dass sie einer Nachnutzung der OZG-Dienste nach dem „Einer-für-Alle“-Prinzip (EfA) zustimmen.
Die Länder haben einzeln oder im Verbund zusammen mit Bundesressorts Themenführerschaften für OZG-Leistungen übernommen, für deren Entwicklung und Betrieb sie verantwortlich sind. Die in Digitalisierungslaboren entstehenden Online-Dienste sollen später allen anderen Ländern zur Verfügung gestellt werden – Einer für Alle. Der Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik, Markus Richter, erklärte: „Wir handeln entschlossen, gemeinsam und koordiniert, damit – egal wo und wann – jede Verwaltungsleistung nutzerfreundlich und mit nur wenigen Klicks online zur Verfügung gestellt werden kann. ‚Einer für Alle‘ ist der Schlüssel zum Erfolg.“
Keine OZG-Themenführerschaft
Sein Optimismus, dass alle Länder an einem Strang ziehen und klaglos bei der geplanten Nachnutzung mitspielen, wird nicht überall geteilt. Eine Sonderrolle spielt etwa Thüringen. Das Bundesland hat keine Themenführerschaft beim OZG übernommen und ist insgesamt bei der Digitalisierung der Verwaltung nicht sehr weit. Zwar gibt es das Thüringer Antragsmanagementsystem für Verwaltungsleistungen ThAVEL, ein Landesportal, das Informationen zu den Verwaltungsleistungen in den Kommunen vorhält. Von durchgängig digitalen Prozessen ist man jedoch weit entfernt. Landes-CIO Hartmut Schubert erklärt im Gespräch mit Kommune21: „Wir haben eine stark zerklüftete und uneinheitliche IT-Infrastruktur, es fehlt in den kleinen Kommunen an Fachpersonal. Demgegenüber stehen die leistungsstarken Städte und Gemeinden. Diese fahren allerdings ihre eigene IT-Strategie und nutzen eigene Fachverfahren, die nicht unbedingt anschlussfähig an andere Verwaltungen sind.“ Grund dafür sei ein Digitalisierungsprozess, der durch „unser föderales System sowie die kommunale Selbstverwaltung gekennzeichnet ist“.
Zerklüftete Infrastruktur
Tatsächlich herrscht im Freistaat Thüringen eine große Uneinheitlichkeit in der IT. Das Landesrechenzentrum in Erfurt, das für die E-Government-Anwendungen auf Landesebene zuständig ist und früher auch kommunale Aufgaben übernommen hatte, hat nach einem Strategiewechsel diese kommunale Zuständigkeit verloren. Die Kommunale Informationstechnik Thüringen (KIV), die seit den 1990er-Jahren besteht, war personell immer schlecht ausgestattet und soll nun als GmbH auf neue Beine gestellt sowie systematisch erweitert werden. Das Land ist im Mai dieses Jahres mit neun Prozent Gesellschafter-Anteilen beigetreten. Kommunen wird der Beitritt für ein Entgelt in Höhe von 85,27 Euro angeboten – 49 Gemeinden haben davon bereits Gebrauch gemacht. Neben klassischen Dienstleistungen und dem Support von IT-Lösungen will die KIV auch als Beschaffungs- und Vergabestelle für Mitgliedskommunen auftreten. Zudem soll sie in Abstimmung mit dem Land Thüringen Basisdienste – etwa für ThAVEL – entwickeln, die von allen Kommunen nachgenutzt werden können. Nach Jahren fehlender zentraler Steuerung ist die Landesebene nun aktiv geworden und will nach Aussage von CIO Hartmut Schubert „erhebliche Mittel einsetzen, vor allen Dingen für Personal“. Ein Förderprogramm für Kommunen sieht bis zu 20 Millionen Euro pro Jahr vor. Geplant sind „zusätzliche OZG-Leistungsentwickler für die Kommunen und Landesbehörden“. Zudem will das Land eine FIM-Redaktion aufbauen und mit dem „Kompetenzzentrum Verwaltung 4.0“ die OZG-Umsetzung in den Kommunen begleiten. Im kommenden Jahr soll diese Einheit auf zehn Stellen aufgestockt werden.
Open Source Software priorisiert
Der thüringische CIO hat sich im Vorfeld der vergangenen IT-Planungsratssitzung in einem Pressebeitrag für freie Software bei der OZG-Umsetzung ins Zeug gelegt. Thüringen sei das einzige Bundesland, das sich in seinem E-Government-Gesetz für Open Source Software (OSS) ausgesprochen habe und sie im Rahmen eigener digitaler Lösungen umsetzen wolle (in Schleswig-Holstein geschieht das allerdings schon lange). Auch das Thüringer Vergabegesetz priorisiere OSS bei der Beschaffung. Der vom IT-Planungsrat soeben verabschiedete Servicestandard, der Qualitätsregeln für OZG-Lösungen definiert, sieht zwar auch freie und quelloffene Software vor – allerdings nur für die gegenwärtig entstehenden OZG-Dienste aus den Digitalisierungslaboren. Sowohl bereits vorhandene Online-Dienste in Kommunen als auch das gesamte Back End, die Fachverfahren in den Verwaltungen, sind hiervon ausgenommen. Diese müssen nur „OZG ready“ gestaltet und interoperabel sein, sodass etwa das Meldewesen in Schleswig-Holstein mit demjenigen in Bayern kommunizieren kann. Dafür sind offene Schnittstellen notwendig, aber nicht zwingend ein offener Quellcode. Auch wenn OSS auf lange Sicht vielleicht wünschenswert wäre, sind Länder und Kommunen weit davon entfernt, sich hierauf zu verständigen und vom Vorhandenen zu trennen. Die Zeit hierfür wäre ohnehin nicht mehr vorhanden.
Abhängigkeit unerwünscht
Während in anderen Bundesländern die OZG-Entwicklungen fortgeschritten sind und einige Lösungen bereits vorliegen, bildet Thüringen das Schlusslicht. Weil das Land kein OZG-Themenfeld übernommen hat, müsste es – theoretisch – die Lösungen der anderen Bundesländer zu hundert Prozent übernehmen. Hiergegen wehrt sich der CIO und befürchtet, eine „Abhängigkeit der Verwaltungen von Software und Herstellern mit nicht absehbaren finanziellen Risiken“. Sicherlich sind momentan die Betriebs- und Weiterentwicklungskosten der OZG-Dienste ungeklärt. Und die Forderung, die Gelder aus dem Konjunkturpaket in Anlehnung an den Königsteiner Schlüssel zu verteilen, erscheint nicht nur aus thüringischer Sicht nachvollziehbar. Um größere Investitionen, die andernorts bereits getätigt wurden, kommt der Freistaat indes nicht herum. Somit verdeutlicht der Fall einmal mehr den unterschiedlichen Digitalisierungsgrad hierzulande. Dieser hängt aber nicht allein mit Investitionen zusammen, sondern vor allem mit Weitblick, politischem Willen und Kooperationsbereitschaft.
BMDV/BREKO: Digital only braucht Glasfaser
[24.10.2024] Die Bundesregierung berichtet über Fortschritte ihrer Digitalstrategie. Der Glasfaserverband BREKO warnt trotz erreichter Erfolge bei 5G und Glasfaser vor Verzögerungen beim Ausbau. Ohne klare politische Weichenstellungen, insbesondere zur Abschaltung des Kupfernetzes, könnte das Ziel einer flächendeckenden Glasfaserversorgung bis 2030 verfehlt werden. mehr...
Digital-Gipfel 2024: Fokus auf KI und digitaler Souveränität
[23.10.2024] Im Fokus des Digital-Gipfels der Bundesregierung standen die Stärkung der digitalen Souveränität und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Die Bundesregierung betonte die Bedeutung einer intensiven Datennutzung und der KI-Förderung, um Deutschland im internationalen Wettbewerb zu stärken. mehr...
Digitalisierung: Dresdner Forderungen 2.0
[22.10.2024] Die Fachgruppe Verwaltungsinformatik der Gesellschaft für Informatik hat 20 Thesen zum digitalen Wandel formuliert. Die Forderungen zielen darauf ab, die Verwaltung effizienter, zukunftssicherer und bürgerfreundlicher zu machen. mehr...
Digitalministerkonferenz: Erfolgreiches zweites Treffen
[21.10.2024] Die Digitalisierung in Deutschland zügiger vorantreiben und digitale Transformation zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger gestalten: Mit dieser Zielstellung haben sich die Digitalverantwortlichen der Länder zur zweiten Digitalministerkonferenz in Berlin getroffen. Wichtige Themen waren Datenschutz und Datennutzung, die Verwaltungscloud-Strategie und die Nutzung von KI. mehr...
Nationaler Normenkontrollrat: Gesetzgebung digitalisieren
[18.10.2024] Die E-Gesetzgebung ist der zentrale Baustein, um Gesetzgebungsverfahren künftig vollständig digital und medienbruchfrei zu gestalten. Das Bundeskabinett hat hierfür nun wichtige Leitlinien beschlossen. Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) begrüßt dies – sieht es aber lediglich als ersten Schritt. mehr...
Niedersachsen: Warum die Verwaltungsdigitalisierung stockt
[18.10.2024] Uneinheitliche Steuerungs- und Entscheidungsstrukturen sorgen dafür, dass die Verwaltungsdigitalisierung in Niedersachsen immer noch stockt. Zu diesem Schluss kommt der niedersächsische Landesrechnungshof in einem aktuellen Positionspapier. Insbesondere die dezentrale Verteilung der IT-Budgets wird bemängelt. mehr...
DigitalPakt Schule: Fortsetzung ja – nur wann?
[16.10.2024] Der DigitalPakt Schule, dessen Antragsfrist im Mai 2024 endete, will den Weg zum Lernen und Lehren in einer sich stetig verändernden digitalen Realität ebnen. 97 Prozent der Mittel aus dem Basis-DigitalPakt wurden bislang bewilligt. Die Bundesbildungsministerin spricht sich für eine Fortsetzung der Bundesförderung aus, verweist aber auch auf die Notwendigkeit, Landesmittel einzusetzen. mehr...
Bürokratieabbau: Bundesregierung beschließt Entlastungsverordnung
[11.10.2024] Die Bundesregierung hat die Bürokratieentlastungsverordnung beschlossen, die zur Entlastung der Wirtschaft um 420 Millionen Euro pro Jahr beitragen soll. Neben dem Abbau von Anzeige- und Mitteilungspflichten sind auch Maßnahmen zur Förderung der Digitalisierung vorgesehen. Die Verordnung muss nun vom Bundesrat genehmigt werden. mehr...
eGovernment Monitor 2024: Digitale Nutzungslücke
[08.10.2024] Die Digitalisierung der Verwaltung hat das Potenzial, das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat zu stärken. Dennoch bevorzugen viele noch den analogen Weg. Laut der Studie eGovernment Monitor 2024 erwarten die Bürgerinnen und Bürger einfache und zugängliche Onlinedienste – diese werden aber noch zu selten genutzt. mehr...
Nationaler Normenkontrollrat: Jahresbericht 2024
[02.10.2024] Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) hat seinen Jahresbericht zum Bürokratieabbau und zur besseren Rechtsetzung sowie zur Verwaltungsdigitalisierung vorgelegt. Insbesondere für die Wirtschaft sinken die Erfüllungsaufwände, für die Verwaltung steigen sie. Dennoch ist die Gesamtbilanz positiv. mehr...
Schleswig-Holstein: Amtsblatt wird digital
[02.10.2024] Das Amtsblatt für Schleswig-Holstein ist das zentrale Bekanntmachungsorgan für Satzungen, deren Geltungsbereich sich auf das ganze Land erstreckt, sowie für öffentliche und örtliche Bekanntmachungen der Landesverwaltung. Die Papierfassung wurde nun von einem Onlineportal abgelöst. mehr...
IT-Standardisierungsboard: Erfolgreiche zweite Sitzung
[01.10.2024] Das vom IT-Planungsrat initierte Föderale IT-Standardisierungsboard soll strategische Leitlinien und Prioritäten zur föderalen IT-Standardisierung festlegen und ein verbindliches Prozessmodell entwickeln. Nun traf sich das Gremium in Berlin zu seiner zweiten Sitzung. mehr...
Rheinland-Pfalz: Bürokratieabbau-Paket vorgestellt
[26.09.2024] Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz hat ein umfassendes Maßnahmenpaket zum Bürokratieabbau vorgestellt. Ziel ist es, Verwaltungsprozesse zu vereinfachen, digitale Angebote auszubauen und damit Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen zu entlasten. mehr...
OZG-Rahmenarchitektur: Partizipativer Dialog
[23.09.2024] Am Konsultationsprozess zum Zielbild der OZG-Rahmenarchitektur beteiligten sich 154 Stakeholder aus verschiedenen Bereichen mit über 700 Kommentaren. mehr...
Bundesregierung: Reduzierte Finanzierung für KI in der Hochschulbildung
[23.09.2024] Die Förderinitiative „KI in der Hochschulbildung“ soll im kommenden Jahr mit einem geringeren Budget fortgeführt werden. Nachdem in den Jahren 2022 bis 2024 jährlich 33 Millionen Euro zur Verfügung standen, sind im Haushaltsentwurf für 2025 nur noch 17,63 Millionen Euro vorgesehen. mehr...