RegistermodernisierungTechnisch besser machbar

[22.09.2020] Die Bundesregierung hält im Entwurf zu einem Registermodernisierungsgesetz an der Steuer-Identifikationsnummer als Personenkennziffer fest, obwohl technisch modernere und datenschutzkonforme Lösungen möglich sind.

Die Bundesregierung plant, die Datenregister hinsichtlich des Once-Only-Prinzips zu modernisieren. Bürger und Unternehmen sollen den Verwaltungen persönliche Informationen nur noch einmal mitteilen müssen, die dann unter ausdrücklicher Zustimmung der Betroffenen behördenintern weitergeleitet werden dürfen. Auf diese Weise sollen sich sowohl der Antragsaufwand für Bürger als auch der Aufwand und die Kosten in Verwaltungen verringern. Once-Only ist Teil der europäischen Binnenmarktstrategie und zielt darauf ab, das Verwaltungshandeln grenzüberschreitend zu vereinheitlichen und zu erleichtern. Technisch setzen die EU-Länder auf unterschiedliche Lösungen.

Steuer-ID als universelle Personenkennziffer

In Deutschland wird die Steuer-Identifikationsnummer zum Zugriff auf die unterschiedlichen Datenregister auf Bundes-, Landes- und lokaler Ebene favorisiert – vom Anwaltsverzeichnis über Daten der Bundesarbeitsagentur bis hin zu den kommunalen Melderegistern. Die Steuer-ID soll als universelle Personenkennziffer ermöglichen, dass beispielsweise im Antragsverfahren für das Eltern- oder Kindergeld automatisiert personenbezogene Informationen aus verschiedenen Registern eingeholt und zusammengeführt werden können. Dies sieht das Registermodernisierungsgesetz (RegMoG) vor, dessen Referentenentwurf „zur Einführung einer Identifikationsnummer in die öffentliche Verwaltung und zur Änderung weiterer Gesetze“ vom Bundesinnenministerium erarbeitet wurde. Der Entwurf sieht zwar kein Zentralregister vor, spricht sich aber für die Schaffung einer beim Bundesverwaltungsamt angesiedelten neuen „Registermodernisierungsbehörde“ aus, die einen zentralen Datenbestand (Basisdaten) vorhält. Hiergegen regt sich nun von verschiedenen Seiten Protest.

Bitkom fordert „neutrale“ Technologie

Der IT-Verband Bitkom unterstützt die Modernisierung der Registerlandschaft, regt aber an, das Gesetz technologieneutral auszugestalten. Wirtschaft und Verwaltung sollten bei der Registermodernisierung zusammengedacht und die europäische Dimension beachtet werden. Interoperabilität sei deshalb besonders wichtig. Auch die im Gesetzentwurf beschriebene „hoheitliche Vermittlungsstelle“ sei kritisch zu betrachten und könne die Verfassungsmäßigkeit beeinträchtigen. Insbesondere kritisiert der Verband aber, dass in der Wirtschaft übliche Technologien in Gesetzentwurf nicht vorgesehen seien. „Der vorliegende Entwurf nimmt der öffentlichen Verwaltung die Chance auf eine Partizipation an aktuellen Technologien (produktivere Entwicklung, Kostenreduktion, kontinuierliche Sicherheitsupdates) und schränkt damit auch die Angebote für die Umsetzung des Vorhabens ein.“

Verfassungsrechtliche Bedenken

Die Gesellschaft für Informatik (GI), die älteste und größte Fachvertretung in der Informatik, äußert große Bedenken aus verfassungs- und datenschutzrechtlicher Sicht. Jede Person werde nun eindeutig zu einer Nummer, und Berechtigte wie Unberechtigte können alle vorliegenden Daten zu einer Person via Steuer-Identifikationsnummer über alle Behörden hinweg auf Knopfdruck auswerten. Der Ansatz widerspreche allen Errungenschaften des Datenschutzes und der Diskussionen über eine Personenkennziffer aus den Jahren 1968 bis 1983.
„Das Bundesverfassungsgericht hat der Einführung derartiger Personenkennzeichen seit jeher enge Schranken auferlegt, die im Referentenentwurf missachtet werden“, heißt es in einer GI-Stellungnahme. Infolgedessen regt die GI die Erarbeitung einer übergreifenden Identitätsmanagement-Architektur für die öffentliche Verwaltung unter Einbeziehung des BSI und der Fachöffentlichkeit an. Hierbei könnten Techniken wie die der österreichischen bereichsspezifischen Personenkennzeichen oder die Restricted Identification des deutschen Personalausweises als Grundlage dienen.

Österreichisches Modell als Alternative

Für Netzpolitik.org ist ebenfalls die Verfassungskonformität fraglich, da das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vom Gesetzentwurf nicht beachtet würden. Zwar ist im Entwurf ein so genanntes Daten-Cockpit vorgesehen, in welchem sich der Status quo der Bearbeitung verfolgen lässt, die Verwendung der Daten soll sich aber nicht selbst steuern lassen können. Netzpolitik.org schreibt: „Der vorliegende Gesetzentwurf sieht ein deutlich invasiveres Modell vor, als es für die Registermodernisierung und die Digitalisierung der Verwaltung nötig gewesen wäre.“
Alternativ hätte sich das österreichische Modell angeboten. In diesem Modell läge die eigentliche, aber geheime Personenkennziffer nur einer unabhängigen Datenschutzbehörde vor. Die anderen Behörden nutzen spezielle Personenkennziffern für ihren Fachbereich, was die Verbreitung der eigentlichen Kennziffer eindämmt und verhindert, dass Daten einfach zusammengeführt werden können, so Netzpolitik.org.
Der zivilgesellschaftliche Verein macht auch auf die im Gesetzentwurf nicht explizit formulierte, aber wohl vorgesehene Möglichkeit aufmerksam, dass mit einer eindeutigen Identifikationsnummer die registergestützten Daten für den Zensus leicht ermittelt werden können. Hierauf geht auch die Begründung für den Big-Brother-Award ein, den der Verein Digitalcourage am Freitag vergangener Woche der Innenministerkonferenz verlieh, „für die Absicht, auf der Basis der Steuer-Identifikationsnummer eine lebenslange Personenkennziffer einzuführen.“

Helmut Merschmann




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik
Reduzierte Strichzeichnung mit schwarzen Linien auf weiß, die verschiedene Symbole für Bereiche der Digitalisierung zeigt.

BMDV/BREKO: Digital only braucht Glasfaser

[24.10.2024] Die Bundesregierung berichtet über Fortschritte ihrer Digitalstrategie. Der Glasfaserverband BREKO warnt trotz erreichter Erfolge bei 5G und Glasfaser vor Verzögerungen beim Ausbau. Ohne klare politische Weichenstellungen, insbesondere zur Abschaltung des Kupfernetzes, könnte das Ziel einer flächendeckenden Glasfaserversorgung bis 2030 verfehlt werden. mehr...

Im Vordergrund einige leicht unscharf fotografierte Kongressbesucherinnen, hinter ihnen hängt an einem bodentiefen Fenster ein Flatscreen mit pink-violetten Mustern und dem Wort "Digitalgipfel"

Digital-Gipfel 2024: Fokus auf KI und digitaler Souveränität

[23.10.2024] Im Fokus des Digital-Gipfels der Bundesregierung standen die Stärkung der digitalen Souveränität und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Die Bundesregierung betonte die Bedeutung einer intensiven Datennutzung und der KI-Förderung, um Deutschland im internationalen Wettbewerb zu stärken. mehr...

Digitalisierung: Dresdner Forderungen 2.0

[22.10.2024] Die Fachgruppe Verwaltungsinformatik der Gesellschaft für Informatik hat 20 Thesen zum digitalen Wandel formuliert. Die Forderungen zielen darauf ab, die Verwaltung effizienter, zukunftssicherer und bürgerfreundlicher zu machen. mehr...

Gruppenfoto der Digitalverantwortlichen der Länder vor einer Projektion mit DMK-Logo.

Digitalministerkonferenz: Erfolgreiches zweites Treffen

[21.10.2024] Die Digitalisierung in Deutschland zügiger vorantreiben und digitale Transformation zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger gestalten: Mit dieser Zielstellung haben sich die Digitalverantwortlichen der Länder zur zweiten Digitalministerkonferenz in Berlin getroffen. Wichtige Themen waren Datenschutz und Datennutzung, die Verwaltungscloud-Strategie und die Nutzung von KI. mehr...

Grafik zum digitalen Rechtsetzungskreislauf

Nationaler Normenkontrollrat: Gesetzgebung digitalisieren

[18.10.2024] Die E-Gesetzgebung ist der zentrale Baustein, um Gesetzgebungsverfahren künftig vollständig digital und medienbruchfrei zu gestalten. Das Bundeskabinett hat hierfür nun wichtige Leitlinien beschlossen. Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) begrüßt dies – sieht es aber lediglich als ersten Schritt. mehr...

Wappen des Landes Niedersachsen

Niedersachsen: Warum die Verwaltungsdigitalisierung stockt

[18.10.2024] Uneinheitliche Steuerungs- und Entscheidungsstrukturen sorgen dafür, dass die Verwaltungsdigitalisierung in Niedersachsen immer noch stockt. Zu diesem Schluss kommt der niedersächsische Landesrechnungshof in einem aktuellen Positionspapier. Insbesondere die dezentrale Verteilung der IT-Budgets wird bemängelt. mehr...

Porträt von Bundesministerin Stark-Watzinger in schwarzer Kleidung vor grauer Wand.

DigitalPakt Schule: Fortsetzung ja – nur wann?

[16.10.2024] Der DigitalPakt Schule, dessen Antragsfrist im Mai 2024 endete, will den Weg zum Lernen und Lehren in einer sich stetig verändernden digitalen Realität ebnen. 97 Prozent der Mittel aus dem Basis-DigitalPakt wurden bislang bewilligt. Die Bundesbildungsministerin spricht sich für eine Fortsetzung der Bundesförderung aus, verweist aber auch auf die Notwendigkeit, Landesmittel einzusetzen. mehr...

Bundeskabinett auf den Stufen eines Barock anmutenden Gebäudes.

Bürokratieabbau: Bundesregierung beschließt Entlastungsverordnung

[11.10.2024] Die Bundesregierung hat die Bürokratieentlastungsverordnung beschlossen, die zur Entlastung der Wirtschaft um 420 Millionen Euro pro Jahr beitragen soll. Neben dem Abbau von Anzeige- und Mitteilungspflichten sind auch Maßnahmen zur Förderung der Digitalisierung vorgesehen. Die Verordnung muss nun vom Bundesrat genehmigt werden. mehr...

Die Grafik zeigt, was die Bürger von der digitalen Verwaltung erwarten.

eGovernment Monitor 2024: Digitale Nutzungslücke

[08.10.2024] Die Digitalisierung der Verwaltung hat das Potenzial, das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat zu stärken. Dennoch bevorzugen viele noch den analogen Weg. Laut der Studie eGovernment Monitor 2024 erwarten die Bürgerinnen und Bürger einfache und zugängliche Onlinedienste – diese werden aber noch zu selten genutzt. mehr...

Gruppenfoto NKR und Marco Buschmann

Nationaler Normenkontrollrat: Jahresbericht 2024

[02.10.2024] Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) hat seinen Jahresbericht zum Bürokratieabbau und zur besseren Rechtsetzung sowie zur Verwaltungsdigitalisierung vorgelegt. Insbesondere für die Wirtschaft sinken die Erfüllungsaufwände, für die Verwaltung steigen sie. Dennoch ist die Gesamtbilanz positiv. mehr...

Schleswig-Holstein: Amtsblatt wird digital

[02.10.2024] Das Amtsblatt für Schleswig-Holstein ist das zentrale Bekanntmachungsorgan für Satzungen, deren Geltungsbereich sich auf das ganze Land erstreckt, sowie für öffentliche und örtliche Bekanntmachungen der Landesverwaltung. Die Papierfassung wurde nun von einem Onlineportal abgelöst. mehr...

Gruppenfoto der Mitglieder des IT-Standardisierungsboars; Außenaufnahme, Sonne

IT-Standardisierungsboard: Erfolgreiche zweite Sitzung

[01.10.2024] Das vom IT-Planungsrat initierte Föderale IT-Standardisierungsboard soll strategische Leitlinien und Prioritäten zur föderalen IT-Standardisierung festlegen und ein verbindliches Prozessmodell entwickeln. Nun traf sich das Gremium in Berlin zu seiner zweiten Sitzung. mehr...

Rheinland-Pfalz: Bürokratieabbau-Paket vorgestellt

[26.09.2024] Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz hat ein umfassendes Maßnahmenpaket zum Bürokratieabbau vorgestellt. Ziel ist es, Verwaltungsprozesse zu vereinfachen, digitale Angebote auszubauen und damit Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen zu entlasten. mehr...

OZG-Rahmenarchitektur: Partizipativer Dialog

[23.09.2024] Am Konsultationsprozess zum Zielbild der OZG-Rahmenarchitektur beteiligten sich 154 Stakeholder aus verschiedenen Bereichen mit über 700 Kommentaren. mehr...

Bundesregierung: Reduzierte Finanzierung für KI in der Hochschulbildung

[23.09.2024] Die Förderinitiative „KI in der Hochschulbildung“ soll im kommenden Jahr mit einem geringeren Budget fortgeführt werden. Nachdem in den Jahren 2022 bis 2024 jährlich 33 Millionen Euro zur Verfügung standen, sind im Haushaltsentwurf für 2025 nur noch 17,63 Millionen Euro vorgesehen. mehr...