BMJReallabor für die Justiz kommt
Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit veröffentlicht. Dem ging eine Einigung im Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern voraus. Diese legt insbesondere fest, dass in allen betroffenen Gerichtsbarkeiten Videoverhandlungen nur möglich sind, wenn sich die Fälle dafür eignen und ausreichende Kapazitäten zur Verfügung stehen.
Zum ersten Mal soll vom Bund ein Reallabor für die Justiz geschaffen werden. Bürgerinnen und Bürgern soll es ermöglicht werden, Zahlungsansprüche mit geringerem Streitwert in einem nutzerfreundlichen, digital geführten Gerichtsverfahren geltend zu machen. Gleichzeitig kann durch die strukturierte Erfassung des Prozess-Stoffs und den Einsatz digitaler Unterstützungswerkzeuge auch die Arbeit an den Gerichten erleichtert werden. „Die Erprobung soll zunächst an einzelnen Gerichten erfolgen. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir das Verfahren in den nächsten Jahren so weiterentwickeln werden, dass es zum Standard im Zivilprozess wird. Das wäre ein wichtiger Mosaikstein für die Modernisierung der Justiz“, sagt Bundesjustizminister Marco Buschmann. Mit dem Gesetz wird eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt; zudem wird der Digitalstrategie der Bundesregierung Rechnung getragen.
Erprobung über zehn Jahre
Reallabore sind Testräume, um innovative Technologien zeitlich befristet und unter realen Bedingungen zu erproben. Der jetzige Entwurf sieht unter anderem folgende Rahmenbedingungen vor:
- Rechtsuchende sollen bei der Erstellung einer Klage durch digitale Informationsangebote und Eingabe- und Abfragesysteme unterstützt werden. Dafür soll zunächst weiterhin der elektronische Rechtsverkehr genutzt werden. Mit der bestehenden Infrastruktur zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) wird auch die Anwaltschaft in die Erprobung einbezogen.
- Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten vor den Amtsgerichten, die auf Zahlung einer Geldsumme (nach der aktuellen Streitwertgrenze bis 5.000 Euro) gerichtet sind, sollen erfasst werden.
- In so genannten Massenverfahren wie etwa im Bereich der Fluggastrechte sollen digitale Eingabesysteme und technische Standards die Justiz dabei unterstützen, Dokumente und Akten zu strukturieren und ressourcenschonend zu bearbeiten.
- Erleichterung der Urteilsverkündung und Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen.
- Bundeseinheitlich soll eine Kommunikationsplattform erprobt werden, die es erlaubt, Anträge und Erklärungen abzugeben; auch die gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten durch Parteien und die Zustellung von Dokumenten soll über die Plattform möglich sein. Damit würde eine neue Form der Justizkommunikation zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten geschaffen.
- Das Online-Verfahren soll barrierefrei, nutzerfreundlich und bundeseinheitlich über ein Bund-Länder-Justizportal für Online-Dienstleistungen zugänglich sein.
Für das Reallabor zur Erprobung und Evaluierung des Online-Verfahrens wird die Zivilprozessordnung (ZPO) um ein weiteres Buch ergänzt. Damit wird das Prozessrecht generell für eine Erprobungsgesetzgebung geöffnet und kann durch weitere Experimentierklauseln und Reallabore ergänzt werden. Die Erprobung des Online-Verfahrens ist auf einen Zeitraum von zehn Jahren angelegt. Um das Online-Verfahren weiterzuentwickeln, ist nach vier sowie nach acht Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Evaluierung vorgesehen.
Projektpartnerschaft mit den Ländern
Das Gesetzgebungsvorhaben soll durch ein Digitalisierungsprojekt des Bundesministeriums der Justiz begleitet werden. Dabei übernimmt der Bund in Projektpartnerschaft mit interessierten Ländern und Gerichten eine koordinierende Rolle bei der Entwicklung und Erprobung eines zivilgerichtlichen Online-Verfahrens. Derzeit sind acht Länder und elf Pilotgerichte an der Produktentwicklung beteiligt.
Der Entwurf eines Gesetzes zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit wurde nun an die Länder und Verbände versendet und auf der Website des Bundesjustizministeriums veröffentlicht. Die interessierten Kreise haben nun Gelegenheit, bis zum 12. Juli 2024 Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen sollen auf der Internet-Seite des BMJ veröffentlicht werden.
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