IT-PlanungsratskongressOZG und wie es weiter geht

[22.03.2021] „So geht Zukunft – digital“ lautete das Motto des diesjähriges IT-Planungsratskongresses, der erstmalig virtuell in Dresden ausgerichtet wurde. Erwartungsgemäß standen das Onlinezugangsgesetz (OZG) und der Digitalisierungsschub durch die Corona-Pandemie im Vordergrund.

Wermelskirchen liegt im Bergischen Land, unweit von Solingen, Wuppertal, Köln und Düsseldorf. Die knapp 35.000 Einwohner zählende Gemeinde unterliegt dem Haushaltssicherungskonzept und hat im Jahr 2017 eine Verantwortlichkeit für E-Government geschaffen. Binnen vier Jahren sind die E-Rechnung samt Rechnungsworkflow, eine Online-Terminvereinbarung und etwa 40 weitere digitale Bürgerservices eingeführt worden – ein schöner Erfolg. Eine Arbeitsgruppe aus den Bereichen Organisation, E-Government und IT unter der Leitung von Beate Wichmann arbeitet an der ständigen Weiterentwicklung der Online-Dienste. Das ist gar nicht so einfach, denn die Personalressourcen sind knapp. Wermelskirchen konkurriert mit den Großstädten ringsherum, die selbst händeringend nach Fachkräften suchen.

Basisförderung fehlt

„Die Bürger erwarten einfache Verfügbarkeit überall und immer“, sagt Beate Wichmann auf dem IT-Planungsratskongress, der am 17. und 18. März 2021 erstmalig virtuell in Dresden ausgerichtet wurde. Für Kommunen wie Wermelskirchen sei das schwierig zu realisieren. „Es fehlt an einer Basisförderung für kleine Kommunen, damit diese sich intern digitalisieren können.“ In Wermelskirchen hat man sich bei der Digitalisierung beraten lassen. Das ist zwar teuer, aber die meisten Kommunen haben kein eigenes Know-how. Bestenfalls versucht man sich gegenseitig durch interkommunale Kooperation zu helfen. Da muss das Onlinezugangsgesetz (OZG) mit seinem jüngst verabschiedeten Einer-für-Alle-Prinzip wie gerufen kommen. Es birgt das Versprechen, dass Kommunen sich an eine große Infrastruktur mit digitalen Diensten einfach andocken können. Momentan jedoch übt das OZG noch großen Druck auf Kommunen aus, mit der Digitalisierung voranzukommen, und vermittelt besonders kleinen Kommunen schnell das Gefühl, dabei allein gelassen zu werden.

Föderale Revolution

In Leipzig und Köln, zwei großen Städten mit vielen Ressourcen und großen Erfolgen bei der Digitalisierung, regt sich ebenfalls Skepsis, was das OZG und seine Umsetzung anbelangt. Auf dem IT-Planungsratskongress wurden Rufe nach einer „föderalen Revolution“ laut. Um es kurz zu fassen: Die beiden Metropolen haben kein Interesse an IT. Nach ihrem Verständnis sind Kommunen für Daseinsvorsorge, Bildung, Sport, Kultur, die Wirtschaft zuständig und haben ganz andere Sorgen, als ihre IT zu modernisieren. Christian Aegerter, Hauptamtsleiter der Stadtverwaltung Leipzig, und Sabine Möwes, Digitalisierungsverantwortliche der Stadt Köln, konstatierten auf dem Kongress, dass die Kommunen an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt sind. „Wir brauchen zentrale IT-Strukturen“, sagt Möwes, „einheitliche gemeinsame Lösungen und eine Vereinfachung bei den Fachverfahren.“ In ihren „Dresdner Forderungen“ drängen sie darauf, die „Kommunalverwaltung weiterzudenken“, worunter insbesondere eine Verringerung der Komplexität in der föderalen Zuständigkeit zu verstehen ist. Sie schlagen einen One Stop Shop für zentrale IT-Verfahren und Prozesse unter Zuhilfenahme von Künstlicher Intelligenz (KI) vor. Die digitalisierten Pflichtaufgaben möchten sie gerne an die „Herausgeberebene“ delegieren, das heißt an Land und Bund. Dabei ist eine gewisse Ungeduld, man möge doch bitte mit der Digitalisierung vorankommen, damit sich Kommunen endlich wieder ihren originären Aufgaben widmen können, deutlich zu bemerken.

Im Maschinenraum

Unterdessen befindet sich die OZG-Umsetzung gerade in der heißen Phase und auf dem Kongress roch es noch stark nach Dampf und Schweiß und Maschinenraum. Der IT-Planungsrat ist das Steuerungsgremium des OZG. Insofern unterliegt der Jahreskongress der Notwendigkeit, Fortschritte bei der Umsetzung aufzuzeigen und die Aufmerksamkeit auf die digitalen Erfolge zu richten: Der Musterprozess ELFE, der jetzt endlich auch rechtlich zum Laufen gekommen ist. Die erfolgte Digitalisierung von Massengeschäften wie etwa Wohnsitzanmeldung, BAFöG oder Baugenehmigung. Die Registermodernisierung und das Einer-für-Alle-Prinzip (EfA), worauf sich Bund und Länder angesichts der drängenden Zeit geeinigt haben. Aber auch die digital organisierten Wirtschaftshilfen in der Pandemie, die fortschreitende Digitalisierung an Schulen, die spontanen Erfolge beim mobilen Arbeiten gelten als Erfolgsstorys.

Optimisten zweifeln

Große Erwartungen liegen auf dem EfA-Prinzip. Die 16 Bundesländern, jeweils für bestimmte Themen der Verwaltungsdigitalisierung zuständig, wollen auf ihren Plattformen die selbstentwickelten digitalen Dienste für alle anderen anbieten und den gegenseitigen Austausch mittels Querschnittinfrastrukturen organisieren (wir berichteten). EfA-Dienste unterliegen Mindestanforderungen, die auf Gemeinsamkeiten und Standards bei Design, Fachlogik, Basisdiensten wie Nutzerkonto und Payment sowie beim Datenaustausch und -transport abzielen. Die 30 Referenzimplementierungen aus den Digitallaboren erfüllen dies. Allerdings gehen die Einschätzungen, wie erfolgreich das EfA-Prinzip ist und sein kann, auseinander. Mal ist die Rede vom „Paradigmenwechsel“ und der „Neuerfindung der föderalen Idee“, mal bloß von einem „Hoffnungsschimmer“. Insgeheime Zweifel an der „Flächendeckung“, die doch Grundvoraussetzung für ein Gelingen ist, sind noch den optimistischsten Prognosen anzumerken.

Digital oder föderal?

Neben dem OZG standen auch weitere digitale Großprojekte auf dem IT-Planungsratskongress zur Debatte. Derzeit wird im Bundesinnenministerium (BMI) der Online-Ausweis vorbereitet, der als „nutzerfreundliche digitale Identifizierung“ bereits bis September 2021 vorliegen und in die Wallets von Smartphones integrierbar sein soll, wie heute schon Bank-, Kredit- und Kundenkarten. Auch der Registermodernisierung liegt ein Bekenntnis zur Nutzerorientierung zu Grunde. Wenn einmal Verwaltungsprozesse, für die der Zugriff auf mehrere Register notwendig ist, automatisch ablaufen sollen, verringert sich sowohl für Bürgerinnen und Bürger als auch für die Verwaltung und ihre Angestellten der Aufwand. Ariane Berger vom Deutschen Landkreistag stellte diesbezüglich fest, dass „das OZG darauf angewiesen ist, das Problem der behördenübergreifenden Kommunikation zu lösen“.

Ausblick

Wenn nicht alles täuscht, steht erst noch eine Föderalismus-Diskussion an, bei der es um Zuständigkeit und Übertragung, Verteilung und Investitionsschutz, Zentralismus, Selbstverwaltung und die Aufgabe von tradierten Ansprüchen im Zeitalter digitale Netzwerke geht. Davon wird spätestens auf dem IT-Planungsratskongress im nächsten Jahr zu erfahren sein.

Helmut Merschmann




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