Open SourceOffen und unabhängig

[19.05.2021] Die öffentliche Verwaltung in Deutschland sollte sich technologisch stärker öffnen als bislang, beispielsweise durch den Einsatz von Open Source Software. Denn so können sich Akteure des Public Sector unter anderem ihre Unabhängigkeit bewahren.
Open-Source-Lösungen bieten Vorteile für die öffentliche Verwaltung.

Open-Source-Lösungen bieten Vorteile für die öffentliche Verwaltung.

(Bildquelle: lila Karpenko/123rf.com)

Wie unabhängig muss und kann die öffentliche Verwaltung sein, wenn sie für den Einsatz innovativer Technologien und neue Formen der Zusammenarbeit offen sein möchte? Wie lässt sich die digitale Souveränität heute und in Zukunft gewährleisten? Diese Fragen werden intensiv diskutiert, wenn es um eine weitreichendere Nutzung von Open Source Software (OSS) im Public Sector sowie um die Bereitstellung von Individualentwicklungen als OSS nach dem Grundsatz Public Money, Public Code geht.
Ein wesentlicher Auslöser der Debatte um OSS ist der immense Bedeutungszuwachs digitaler Angebote bei Bund, Ländern und Kommunen. Effektive digitale Lösungen und eine leistungsstarke IT-Infrastruktur bilden das Rückgrat moderner Behörden. Dieser Bedeutungswandel verändert den Blick auf den Einsatz von proprietärer Software und von Open-Source-Ansätzen. Das Onlinezugangsgesetz (OZG) befeuert die Diskussion zusätzlich. Denn der Servicestandard für die OZG-Umsetzung definiert in sechs Kategorien eine Reihe von Prinzipien, denen diese Umsetzung folgen soll.

Aufwand senken, Geld sparen

Folgende drei Prinzipien sind in der Kategorie „Offenheit” aufgeführt: offene Standards, Open Source und Wiederverwendung. Bei der Realisierung und dem Betrieb digitaler Angebote müssen also ers­tens offene Standards genutzt werden. Das sind Standards, die für alle Marktteilnehmer besonders leicht zugänglich, weiterentwickelbar und einsetzbar sind. Zweitens wird der Quellcode aus der Realisierung digitaler Angebote der Verwaltung (Eigenentwicklung) als Open Source zur Verfügung gestellt. Das bedeutet, dass Dritte die entwickelte Lösung kostenfrei nachnutzen und für ihre Zwecke verändern dürfen. Vor der Konzeption und Umsetzung einer neuen IT-Komponente ist, drittens, die Möglichkeit der Nachnutzung und Wiederverwendung vorhandener digitaler Angebote und deren Bestandteilen zu prüfen.
Das Prinzip der Offenheit hat damit weitreichende Folgen: Es fordert zwar nicht den expliziten Einsatz von OSS, schafft jedoch wichtige Voraussetzungen dafür. Und es gibt zahlreiche Gründe für die Verwendung und Bereitstellung dieser Programme durch die öffentliche Verwaltung. So helfen der Einsatz und die Wiederverwendung von OSS etwa dabei, Kosten zu sparen, da wiederkehrende Lizenzgebühren für proprietäre Software wegfallen. Zudem erleichtert frei verfügbare Software die Entwicklung der eigenen IT-Landschaft. Darüber hinaus erzeugt der Einsatz proprietärer Software häufig eine Reihe von Folgekos­ten, die stets mitbedacht werden müssen. Dazu zählt beispielsweise die Beschränkung auf bestimmte Dateiformate und Schnittstellen. Bei Individuallösungen, die nach Open-Source-Prinzipien umgesetzt werden, wirken außerdem meist Dritte mit oder sind eingebunden. Damit sinkt der eigene Aufwand bei der Entwicklung und die Behörden sparen Geld.

Viele Augen sehen mehr als zwei

Mit der Digitalisierung ihrer Prozesse können Behörden auch flexibler auf Herausforderungen reagieren und diese besser einschätzen. Das setzt ein entsprechendes Maß an Reaktionsgeschwindigkeit voraus. Im Fall von OSS profitiert der Public Sector von der aktiven Zusammenarbeit mit Dritten. Ein aktuelles Beispiel ist die Corona-Warn-App, deren proprietäre Entwicklung vermutlich mehr Zeit in Anspruch genommen hätte. Da der gesamte Quellcode öffentlich zugänglich gemacht wurde, konnten unabhängige Entwickler diesen beispielsweise auf Sicherheitslücken hin überprüfen. Der intensive Austausch zwischen Bedarfsträgern, Nutzern und Entwicklern in einer Community ermöglicht eine schnellere Umsetzung und Bereitstellung neuer Funktionalitäten und geänderter Anforderungen.
Die Zusammenarbeit trägt maßgeblich dazu bei, dass neue Ideen in die Entwicklung und Weiterentwicklung von IT-Lösungen einfließen. OSS lässt sich besser auf Bedürfnisse und das direkte Nutzer-Feedback zuschneiden. Im Gegensatz dazu ist proprietäre Software immer ein Kompromiss verschiedener Anforderungen und muss auch Marketing- und Vertriebsfragen berücksichtigen. Zudem sehen viele Augen mehr als zwei – diese Erkenntnis mag nicht überraschen, doch ist sie für den Open-Source-Einsatz besonders wichtig. Eine offene Community mit vielen Beteiligten erkennt, analysiert und beseitigt mehr Fehler und agiert schneller als ein Team weniger IT-Tester. Die Offenlegung des Quellcodes steigert somit die Verlässlichkeit der Software.

Digitale Souveränität

Ähnlich verhält es sich mit der Sicherheit: OSS kann frei geprüft werden, unabhängige Audits und Code Reviews sind zu jedem beliebigen Zeitpunkt möglich. Das erhöht die Sicherheit der IT-Verfahren und -Dienste. Die Möglichkeit des Einblicks in den Programm-Code schafft Transparenz und fördert die Nachvollziehbarkeit von Abläufen und Entscheidungen. Der übergreifende OSS-Einsatz im Public Sector fördert somit das Vertrauen in die öffentliche Verwaltung insgesamt. Mit der Nutzung von OSS bleiben Behörden zudem unabhängig von einzelnen Herstellern und bewahren sich ihre individuelle Gestaltungsfreiheit. Diese zwei Aspekte sind wesentliche Voraussetzungen für digitale Souveränität. Die freie Software lässt sich schneller und kostengünstiger an die eigenen Bedürfnisse anpassen – zu dem Zeitpunkt und zu den Konditionen, die für die jeweilige Einrichtung am besten passen.

Oliver Bildesheim ist Manager Public Sector bei der Management- und Technologieberatung Sopra Steria.




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: IT-Infrastruktur
Rechenzentrum von innen, Blick in eine Gasse mit blau beleuchteten Server-Racks.

OSBA: Sovereign Cloud Stack bleibt

[30.10.2024] Die Plattform Sovereign Cloud Stack wird nur noch bis Jahresende vom Bundeswirtschaftsministerium finanziert. Ein neu gegründeter Zusammenschluss von Open-Source-Unternehmen innerhalb der Open Source Business Alliance wird auch in Zukunft zentrale Ergebnisse absichern und die Weiterentwicklung der Standards gewährleisten. mehr...

MACH: Bundestemplate vor der Einführung

[25.10.2024] Bundesbehörden können mit dem neuen Bundestemplate MACH alle haushaltsrelevanten Vorgänge standardisiert und digitalisiert ausführen. Als erstes testet das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe ab 2025 die neue Lösung. mehr...

Das Bild zeigt einen Bildschirm mit einer Ansicht des Programms disy Cadenza.

Disy/Ionos: Datensouveräne Umgebung

[04.10.2024] Das Karlsruher Unternehmen Disy Informationssysteme und der Cloudanbieter Ionos haben eine Kooperation gestartet, um innovative und datenschutzkonforme Software-as-a-Service-Lösungen anzubieten. mehr...

Das Bild zeigt Oliver von Kleist, Partner Manager Cloud bei ]init[, und Tim Kartali, Head of Global Partner Sales bei IONOS.

init / Ionos: Gebündelte Kräfte für Verwaltungscloud

[24.09.2024] Um digitale Cloudlösungen im öffentlichen Sektor voranzutreiben, haben die Unternehmen init und Ionos eine Kooperation vereinbart. Ziel ist es, sichere und skalierbare Plattformen anzubieten, die speziell auf die Anforderungen der Verwaltung zugeschnitten sind. mehr...

Das Bild symbolisiert das Thema Cloud Computing.

Delos Cloud: Erste Dienste für 2025 geplant

[23.09.2024] Die Delos Cloud für die öffentliche Verwaltung soll im kommenden Jahr an den Start gehen. Die Partner Delos Cloud, Microsoft und Arvato Systems haben jetzt Verträge unterzeichnet, die den Betrieb und die Zusammenarbeit sicherstellen. mehr...

Das Bild zeigt eine stilisierte Platine mit enem Cloud-Symbol und dem Schriftzug SAP.

SAP: Milliarden für sichere Cloudlösungen

[20.09.2024] In den kommenden zehn Jahren will SAP mehr als zwei Milliarden Euro in die Entwicklung hochsicherer Cloudlösungen für den öffentlichen Sektor und stark regulierte Branchen investieren. mehr...

Rechenzentrum von innen, Blick in eine Gasse mit blau beleuchteten Server-Racks.

Bayern: Neuer ELSTER-Standort

[05.09.2024] Mit rund 22 Millionen aktiven Benutzerkonten gilt ELSTER als eines der erfolgreichsten E-Government-Verfahren Deutschlands. Östlich von München wurde nun ein neuer Rechenzentrumsstandort eingeweiht, der zur Ausfallsicherheit beitragen soll. mehr...

Bayern/Sachsen: Zukunftsweisende KI-Forschung

[08.08.2024] Energieeffiziente Hardware und entsprechende Softwarekomponenten für KI-Anwendungen will eine länderübergreifende Hochschulkooperation im Forschungsprojekt GAIn (Next Generation Al Computing) entwickeln. Die Freistaaten Bayern und Sachsen bezuschussen das Projekt mit insgesamt sechs Millionen Euro. mehr...

Hochwasserwarnschild vor einer überfluteten Fläche

Niedersachsen: Stabssoftware CommandX wird erprobt

[30.07.2024] Das Land Niedersachsen pilotiert in Kreis Uelzen die Stabssoftware CommandX. Diese soll im Katastrophenfall die Kommunikation aller Stäbe und Stellen vereinfachen und beschleunigen. Bis zum Jahresende soll die Lösung an zahlreichen Stellen in ganz Niedersachsen ausgerollt sein. mehr...

Das Bild zeigt die Außenansicht der Firmenzentrale von Bechtle.

Bechtle: Großauftrag für Apple-Geräte

[29.07.2024] Der IT-Dienstleister Bechtle liefert 300.000 Apple-Geräte im Wert von bis zu 770 Millionen Euro an Bundesbehörden. Bei der Abwicklung des Auftrags wird Bechtle von Materna unterstützt. mehr...

Die deutsche Delegation auf dem 4. Projectathon in Brüssel.

Registermodernisierung: Once-Only für Geburtsnachweis erprobt

[18.07.2024] In Brüssel fand zum vierten Mal der Projectathon statt. Das Event bringt die EU-Mitgliedstaaten zusammen, um deren Beiträge zur Once-Only- und zur Single-Digital-Gateway-Umsetzung interoperabel zu testen. Der deutschen Delegation gelang der grenzüberschreitende Nachweisaustausch im Bereich Personenstand zur Umsetzung des Once-Only-Prinzips. mehr...

Symbol Cloud Computing, Hand tippt auf digitale Wolke

Thüringen: Souveräne Cloud

[09.07.2024] Der Freistaat Thüringen setzt auf eine eigene souveräne Verwaltungscloud. Diese wird im landeseigenen Rechenzentrum aufgebaut und betrieben. mehr...

Ministerien und Ämter des Freistaats Bayern können künftig Anwendungen aus der  Kubernetes-Cloud nutzen.
bericht

Cloud-Strategie: Bundeskanzleramt verwirft Deutsche Verwaltungscloud

[27.06.2024] Mit einem ungewöhnlichen Schritt brüskiert das Kanzleramt alle Initiativen rund um die Deutsche Verwaltungscloud und drängt die Bundesländer zu einem Vertragsabschluss mit Delos, einer in Deutschland betriebenen Variante der Microsoft Azure Cloud. mehr...

Eine Kaffeetasche steht im Vordergrund des Bildes auf einem Tisch, im Hintergrund sin schemenhaft Menschen zu erkennen, die zusammensitzen in einem großen Raum mit leeren Tischen.

Thüringen: KI-basierte Projektergebnisse

[06.06.2024] Das Thüringer Finanzministerium arbeitet mit der Friedrich-Schiller-Universität Jena in verschiedenen Forschungs- und Entwicklungsprojekten zusammen. Alle sollen sie den Zugang zu digitalen Verwaltungsdienstleistungen beschleunigen. Beim jüngsten Treffen wurden neue Ergebnisse der KI-basierten Projekte vorgestellt. mehr...

Ein roter Bauhelm liegt auf dem Asphaltboden, im Hintergrund unscharf eine Baustelle.

Bauwesen: Verteidigungsministerium tritt BIM Deutschland bei

[21.05.2024] Das Bundesministerium der Verteidigung tritt der Initiative BIM Deutschland – Zentrum für die Digitalisierung des Bauwesens bei. Das Ministerium erwartet dadurch eine beschleunigte Umsetzung wichtiger Bauvorhaben, zudem soll die Vorbildrolle des Bunds bei der Etablierung der Methode BIM gestärkt werden. mehr...