Gaia-XMoonshot der Digitalpolitik?
Die Corona-Krise treibt die Digitalisierung voran, indem sie vor Augen führt, wie sehr Gesundheitssektor, Bildungswesen, Wirtschaft und Verwaltung von ihr abhängen. Vor allem im öffentlichen Bereich stehen die Zeichen auf Handeln. In der vergangenen Woche haben Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire den Stand der Dinge beim Projekt Gaia-X vorgestellt (wir berichteten). Das Projekt zielt darauf ab, die Grundlage für eine europäische Datenökonomie zu schaffen, welche neue datengetriebene Anwendungen und Dienste beispielsweise aus dem Bereich künstliche Intelligenz erlaubt. Zugleich steht Gaia-X für mehr digitale Souveränität.
Die EU-Kommission gibt sich ausgesprochen zukunftsoptimistisch, was die Bedeutung der Datenökonomie für die europäische Wertschöpfung anbelangt. Zwischen 2017 und 2018 stieg das Volumen der Datenökonomie in den 27 EU-Staaten (ohne Großbritannien) um gut 12 Prozent von knapp 267 auf 300 Milliarden Euro. Studien gehen bis zum Jahr 2025 von Steigerungsraten bis Faktor 2,5 aus.
Im Vergleich zu den Weltmächten USA und China nimmt sich allerdings auch diese Kennzahl bescheiden aus, Europa fällt hier weit zurück. Insbesondere im Cloud-Geschäft liegt das Problem: Europäische Unternehmen, vor allem die mittelständischen, zögern, ihre Daten amerikanischen oder chinesischen Clouds anzuvertrauen. Gleichzeitig gibt es bislang wenig europäische Alternativen.
Technisches Konzept für Gaia-X
Hier soll Gaia-X Abhilfe schaffen. Als Peter Altmaier das Projekt im Oktober 2019 vorstellte (wir berichteten), war von bis zu 300 Firmen die Rede, die sich netzwerkartig verbinden und eine dezentrale Cloud-Struktur schaffen sollen. Nun haben sich die ersten 22 Unternehmen, jeweils elf aus Frankreich und Deutschland, zu einer Stiftung zusammengeschlossen und ein erstes technisches Architekturkonzept vorgelegt. Die Firmen bilden die Angebots- und Nachfrageseite von Gaia-X ab und entwickeln Schnittstellen für den Datenaustausch, gemeinsame technische Standards und eine einheitliche Benutzeroberfläche. Beteiligt sind die Deutsche Telekom, SAP, Bosch und Siemens sowie aus Frankreich Atos, Orange und Dassault Système.
Bruno Le Maire erklärte: „Der gemeinsame Wille Frankreichs und Deutschlands erlaubt es uns, die Grundlagen für eine echte europäische Dateninfrastruktur zu legen. Ausgehend von der Zusammenarbeit zwischen elf deutschen und elf französischen Unternehmen kann Europa eine neue Kultur der künstlichen Intelligenz voranbringen, die sich auf die Prinzipien der Offenheit, der Interoperabilität, der Transparenz und des Vertrauens stützt.“
Im Rahmen einer virtuellen Veranstaltung in der vergangenen Woche, an der auch Le Maire und Altmaier teilnahmen, sind mehr als 40 Anwendungsbeispiele aus den Bereichen Industrie 4.0, Gesundheitswesen, Finanzwesen, Öffentlicher Sektor, Smart Living, Energie und Mobilität vorgestellt und ihr Mehrwert für die europäische Datenökonomie diskutiert worden.
Projekt von Konzernen?
Die Meinungen über die Erfolgsaussichten gehen auseinander. Peter Altmaier bezeichnete Gaia-X als „Moonshot der Digitalpolitik“ und „vielleicht wichtigstes digitales Bestreben einer Generation“. Der Chef der beteiligten französischen IT-Firma Atos, Elie Girard, hofft: „Wir haben den Kampf um die Daten der Verbraucher verloren. Die nächste Welle, die vor und nicht hinter uns liegt, sind die Unternehmensdaten.“
Allerdings: Eine aktuelle Studie des Digitalverbands Bitkom hält fest, dass etwa drei Viertel (73 Prozent) der mittelständischen Unternehmen in Deutschland künstliche Intelligenz zwar als wichtigste Zukunftstechnologie betrachten, aber gerade einmal sechs Prozent KI einsetzen und lediglich jedes fünfte Unternehmen (22 Prozent) die KI-Nutzung plant oder darüber diskutiert. Und der Bundesverband IT-Mittelstand kritisiert die bislang mangelnde Einbindung mittelständischer Firmen in das Projekt. Die 22 Gründungsfirmen von Gaia-X sind allesamt Großunternehmen.
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