InterviewJemand muss den Hut aufhaben

[06.07.2023] Eine N3GZ-Kurzstudie zur Verwaltungsdigitalisierung geht von einer zentralen Plattform für IT-Infrastruktur aus. Peter Kuhn, einer der Autoren der Studie, erläutert die Hintergründe.
Peter Kuhn

Peter Kuhn

(Bildquelle: Privat)

Herr Kuhn, Sie machen sich für einen so genannten Plattformansatz bei der Verwaltungsdigitalisierung stark. Was ist darunter zu verstehen?

Eines der Probleme der Verwaltungsdigitalisierung besteht darin, dass es Tausende beteiligte Behörden gibt, deren IT-Systeme verknüpft werden müssen, um am Ende nutzerfreundliche E-Government-Services zu haben. Um ein so komplexes System zu managen, müsste man entweder eine radikale Zentralisierung betreiben, was in einem föderalen Staat schlecht geht. Oder man nutzt Plattformstrukturen und -prinzipien. Auf diese Weise lässt sich eine Balance herstellen zwischen einigen wenigen zentralen Elementen und dem gesamten Rest, der dezentral bleiben kann.

Was wären die zentralen Bestandteile?

Technisch besteht der Plattform­ansatz aus einer IT-Infrastruktur mit grundsätzlichen Funktionen wie Identifikation, Kommunikation und Payment, die als zentrale Basisdienste bereitgestellt werden. Im Grunde sind diese Dienste mit der BundID für Identifikation und ePayBL für Bezahlung bereits teilweise vorhanden. Und mit FIT-Connect liegt auch ein standardisierter Kommunikationsdienst vor, der länderübergreifend zwischen Online-Diensten und Fachverfahren vermittelt und den Datentransport managt. Wo es noch nicht so gut läuft, ist die Governance: Wer ist für die Infrastruktur zuständig? Wer trifft welche Entscheidungen? Es erscheint notwendig, dass es eine zentrale Organisation oder Stelle für solche strategischen Fragen gibt, und hierfür würde sich der IT-Planungsrat oder die FITKO anbieten. Irgendjemand muss den Hut aufhaben und die Richtung vorgeben können.

Können vorhandene Online-Dienste, Fachverfahren und Einer-für-Alle-Dienste beibehalten werden?

Ein wichtiger Teil des Konzepts besteht darin, dass die einzelnen Online-Dienste und Fachverfahren dezentral bleiben. Bei der OZG-Umsetzung ist problematisch, dass versucht wird, die Online-Dienste zu zentralisieren und Einheitlichkeit zu schaffen, ohne aber eine einheitliche Infrastruktur zu haben. Unsere Studie kommt auch mit Blick auf andere europäische Länder zu dem Schluss, dass das Einer-für-Alle-Prinzip durchaus richtig ist, aber eben nicht im Front End, sondern bei der In­frastruktur, in der Zwischenschicht zwischen Online-Diensten und Fachverfahren. In dieser Hinsicht müsste es einen entsprechenden Strategiewechsel geben.

Was sind die Vorteile des Ansatzes?

Die Vorteile liegen vor allem in der Skalierbarkeit. Wenn die IT-Infrastruktur als Plattform einmal steht und stabil läuft, können ganz schnell neue Online-Services hinzugefügt werden. Aktuell ist das bei FIT-Connect zu beobachten, an das sich ganz viele Fachverfahrenshersteller freiwillig anschließen. Auch können die Zivilgesellschaft und die Start-up-Szene noch gezielter einbezogen werden. Der Staat muss nur noch zertifizieren und sich nicht mehr selbst um das Front End kümmern. Das ist eine enorme Hebelwirkung. Außerdem lässt sich die IT-Komplexität deutlich reduzieren und die verteilten Zuständigkeiten können klar geregelt werden.

Wie weit sind wir davon entfernt?

Es würde schon helfen, wenn wir uns alle bewusst wären, dass es diese Infrastruktur de facto bereits gibt. Man muss sie nur noch optimieren hin zu einer plattformorientierten Infrastruktur. Was fehlt, ist der Aspekt der Governance, das politische Einvernehmen, dass man sich in diese Richtung bewegen möchte. Ich glaube, ein politischer Konsens darüber wäre der erste Schritt.

Interview: Helmut Merschmann


Stichwörter: Politik, N3GZ, OZG 2.0


Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik

Berlin: Eckpunkte für Digitalcheck

[21.11.2024] Die Eckpunkte für die Einführung eines Digitalchecks hat der Berliner Senat beschlossen. Der Geschäftsbereich der Chief Digital Officer soll jetzt ein Konzept inklusive eines vorgeschalteten Pilotvorhabens erarbeiten. mehr...

Diagramm zur OZG-Rahmenarchitektur

IT-Planungsrat: Der OZG-Rahmenarchitektur einen Schritt näher

[20.11.2024] In seiner Herbstsitzung hat der IT-Planungsrat das in einem breit angelegten und von einem Konsultationsprozess begleitete Vorhaben iterativ erarbeitete Zielbild der OZG-Rahmenarchitektur beschlossen. mehr...

Gröere Gruppe von Personen in formaler Kleidung auf einer Treppe, alle blicken Richtung Kamera.

IT-Planungsrat: Erster Teil der föderalen Digitalstrategie beschlossen

[18.11.2024] Der IT-Planungsrat hat auf seiner 45. Sitzung unter Leitung von Bundes-CIO Markus Richter die Dachstrategie der Föderalen Digitalstrategie für die Verwaltung verabschiedet. Zudem wurde ein Vertragsentwurf für das Nationale Once-Only-Technical-System (NOOTS) beschlossen. mehr...

Bitkom: Forderung nach Umsetzung von Digitalprojekten

[15.11.2024] Der Digitalverband Bitkom hat jetzt die Bundesregierung aufgefordert, vor den Neuwahlen im Februar möglichst viele digitalpolitische Projekte abzuschließen. Bisher sind lediglich 32 Prozent der geplanten Vorhaben realisiert. mehr...

Baden-Württemberg: Änderung der Gemeindeordnung verabschiedet

[08.11.2024] Der Landtag von Baden-Württemberg hat jetzt eine Änderung der Gemeindeordnung verabschiedet, die Kommunen in administrativen Abläufen entlasten und die finanzielle Berichterstattung vereinfachen soll. mehr...

Weißes Paragrafenzeichen (dreidimensional) lehnt an einer blau-grauen Wand

Cybersicherheit: Stellungnahmen zum NIS2-Umsetzungsgesetz

[07.11.2024] Der Bundestagsausschuss für Inneres und Heimat hat sich mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der NIS2-Richtlinie befasst. Vielen Experten geht der Entwurf nicht weit genug. mehr...

Mann (Jürgen Barke) in einem sehr förmlichen dunkelblauen Anzug mit blauem Schlips und weißem Einstecktuch steht vor einer hellen Wand.

Saarland: Mehr Input zur Digitalpolitik

[05.11.2024] Das Saarland tritt dem GovTech Campus Deutschland bei, um die Digitalisierung der Verwaltung voranzutreiben. Durch die Mitgliedschaft will das Land von dem Innovationsnetzwerk profitieren und aktiv an Digitalpolitik und gemeinsamen Projekten mitwirken. mehr...

Personengruppe in förmlicher Kleidung steht auf einer Wiese vor einer historischen Sandsteinfassade.

Normenkontrollräte: Ambitioniert zum Bürokratieabbau

[05.11.2024] Im Rahmen eines Treffens in Stuttgart haben Normenkontrollräte und Clearingstellen eine Erklärung verabschiedet, die eine Reduzierung der Bürokratiekosten um 25 Prozent innerhalb von vier Jahren anstrebt. mehr...

Montage: ein aufgeklappter Laptop, er Monitor enthält Karteischubladen, eine davon ist ausgezogen und ragt aus dem Bildschirm heraus.

Databund: Datenschutzrisiken im MDWG

[05.11.2024] Der Databund hat zu zwei Gesetzesentwürfen des Bundes Stellung genommen, welche die kommunale Verwaltung betreffen. Im MDWG-Entwurf sieht er Verbesserungen für die Migrationsverwaltung, mahnt jedoch Datenschutzrisiken an. Beim eIDAS-Gesetz begrüßt der Verband die Stärkung der Bundesnetzagentur. mehr...

Symbolbild: Blauer Hintergrund, davor Binärcode-Zahlenreihen und ein Ring aus gelben Sternen (EU-Flagge)

Niedersachsen: NIS2-Richtlinie umgesetzt

[04.11.2024] Niedersachsen setzt als eines der ersten Bundesländer die NIS2-Richtlinie der EU zur Cybersicherheit in der Verwaltung um. Die neue Verwaltungsvorschrift, die Benennung einer zuständigen Behörde für Cybersicherheit und die Einrichtung eines Notfallteams sollen die IT-Sicherheit in besonders kritischen Bereichen stärken. mehr...

Niedersachsenross (steigendes weißes Pferd) aus sich überlappenden Glasplatten als Wanddekoration im Niedersächsischen Landtag.

Niedersachsen: Beteiligung am ZenDiS

[04.11.2024] Niedersachsen will sich am Zentrum für Digitale Souveränität (ZenDiS) beteiligen, um die Abhängigkeit der Landesverwaltung von marktbestimmenden Softwareherstellern zu reduzieren. Das Land könnte so auch von überregionalen Erfahrungen und Projekten profitieren. Dies steht im Einklang mit der Digitalstrategie des Landes. mehr...

Reduzierte Strichzeichnung mit schwarzen Linien auf weiß, die verschiedene Symbole für Bereiche der Digitalisierung zeigt.

BMDV/BREKO: Digital only braucht Glasfaser

[24.10.2024] Die Bundesregierung berichtet über Fortschritte ihrer Digitalstrategie. Der Glasfaserverband BREKO warnt trotz erreichter Erfolge bei 5G und Glasfaser vor Verzögerungen beim Ausbau. Ohne klare politische Weichenstellungen, insbesondere zur Abschaltung des Kupfernetzes, könnte das Ziel einer flächendeckenden Glasfaserversorgung bis 2030 verfehlt werden. mehr...

Im Vordergrund einige leicht unscharf fotografierte Kongressbesucherinnen, hinter ihnen hängt an einem bodentiefen Fenster ein Flatscreen mit pink-violetten Mustern und dem Wort "Digitalgipfel"

Digital-Gipfel 2024: Fokus auf KI und digitaler Souveränität

[23.10.2024] Im Fokus des Digital-Gipfels der Bundesregierung standen die Stärkung der digitalen Souveränität und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Die Bundesregierung betonte die Bedeutung einer intensiven Datennutzung und der KI-Förderung, um Deutschland im internationalen Wettbewerb zu stärken. mehr...

Digitalisierung: Dresdner Forderungen 2.0

[22.10.2024] Die Fachgruppe Verwaltungsinformatik der Gesellschaft für Informatik hat 20 Thesen zum digitalen Wandel formuliert. Die Forderungen zielen darauf ab, die Verwaltung effizienter, zukunftssicherer und bürgerfreundlicher zu machen. mehr...

Gruppenfoto der Digitalverantwortlichen der Länder vor einer Projektion mit DMK-Logo.

Digitalministerkonferenz: Erfolgreiches zweites Treffen

[21.10.2024] Die Digitalisierung in Deutschland zügiger vorantreiben und digitale Transformation zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger gestalten: Mit dieser Zielstellung haben sich die Digitalverantwortlichen der Länder zur zweiten Digitalministerkonferenz in Berlin getroffen. Wichtige Themen waren Datenschutz und Datennutzung, die Verwaltungscloud-Strategie und die Nutzung von KI. mehr...