FinanzwesenHamburg bucht doppisch

[20.03.2020] Auf Landesebene hat bislang nur Hamburg vollständig auf die Doppik umgestellt. Die Freie und Hansestadt ist von diesem Weg überzeugt und hofft auf viele Nachahmer. Hierzu haben Hamburg und Nordrhein-Westfalen die Berliner Thesen veröffentlicht.
Die Freie und Hansestadt Hamburg ist Doppik-Vorreiter.

Die Freie und Hansestadt Hamburg ist Doppik-Vorreiter.

(Bildquelle: MEV Verlag)

Seitdem die EU-Kommission begonnen hat, an der Entwicklung einheitlicher europäischer Rechnungslegungsvorschriften (European Public Sector Accounting Standards, EPSAS) zu arbeiten, wird in Deutschland wieder verstärkt über die Notwendigkeit der Anwendung von kaufmännischen Grundsätzen für öffentliche Gebietskörperschaften diskutiert. Dabei ist klar, dass diese Diskussion international nicht mehr geführt wird. Sowohl die internationalen Standards für die öffentliche Rechnungslegung IPSAS (International Public Sector Accounting Standards) wie auch die Leitlinien für die internationale Finanzstatistik setzen eine perioden­gerechte Verbuchung von Transaktionen voraus. Auch die europä­ische Richtlinie 2011/85/EU verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten zu einer umfassenden Lieferung periodengerechter Daten.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass eine entsprechende Umstellung der Rechnungslegung eigentlich nur eine Frage der Zeit sein müsste. Trotzdem ist die Diskussion in Deutschland eher zäh. Auch wenn die Kommunen mittlerweile weit überwiegend nach kaufmännischen Grundsätzen buchen, kann hier nicht von einer Einheitlichkeit der Regelungen gesprochen werden. Der Bund und die Mehrheit der Länder verharren in der traditionellen kameralistischen Haushaltswirtschaft.
Umso wichtiger ist es daher, die inhaltliche Bedeutung der doppischen Sichtweise für öffentliche Gebietskörperschaften hervorzuheben. Sie ist transparent und nachhaltig, da sie Auskunft über das vorhandene Vermögen als Basis für die Gestaltung des öffentlichen Gemeinwesens liefert, ohne die schon eingegangenen Zukunftsverpflichtungen zu verschweigen.

Haushälterische Langfristperspektive

Die Freie und Hansestadt Hamburg hat sich entschieden, diese inhaltliche Perspektive nicht nur für die Rechnungslegung, sondern auch für die Haushaltsplanung einzunehmen. Statt weiter den Sanierungsstau zu riskieren, wird heute schon die Instandhaltung von Schulen und Straßen mitgeplant. Und wer eine Lehrerin oder einen Polizisten einstellt, muss auch die Kosten für die zukünftige Pension einplanen. Die Doppik zwingt die Verwaltung nämlich, Risiken klar zu benennen und hierfür entsprechende Rückstellungen zu bilden. Damit hat Hamburg nicht nur den Haushalt des kommenden Jahres, sondern stets auch die haushälterische Langfristperspektive der politischen Entscheidungen im Blick.
Mit dem in der Hansestadt praktizierten Ansatz der doppischen Haushaltsplanung sollen einerseits die im Grundgesetz und in der Hamburger Verfassung verankerten Schuldenbremsen eingehalten und andererseits Auf­wendungen und Erträge planerisch ins Gleichgewicht gebracht werden. Bis 2024 soll die doppische schwarze nicht nur im Ergebnis, sondern auch strukturell in der Planung erreicht werden – also unter Berücksichtigung von im Konjunkturverlauf zu erwartenden Aufschwung- und Abschwungphasen der Erlöse und Aufwendungen des Haushalts. Hamburg ist hier auf einem guten Weg. Dabei ist diese Vorgabe kein Selbstzweck, durch sie sollen nachfolgende Generationen vor einem Ressourcenverzehr zu ihren Lasten bewahrt werden. Das ist finanzpolitisch hoch anspruchsvoll. Vielleicht sind andere Länder auch deshalb diesem Ansatz noch nicht gefolgt.

Nachhaltigere Haushaltspolitik

Die am 11. September 2019 in Berlin von den Ländern Hamburg und Nordrhein-Westfalen präsentierten fünf Thesen zur öffentlichen Rechnungslegung in Deutschland (wir berichteten) markieren insofern einen Meilenstein auf dem weiteren Reformweg, der von den Ländern Bremen und Hessen geteilt und unterstützt wird. Die Thesen verdeutlichen die inhaltlich notwendige weitere Entwicklung und zeigen, warum sich auch andere Bundesländer auf den Weg machen, ihre Vermögensrechnung nach doppischen Grundsätzen zu ermitteln und zu veröffentlichen.
Insgesamt führt die Doppik zu einer nachhaltigeren Haushaltspolitik. Gerade in einer Zeit, in der die kameralistische Schuldenbremse wieder infrage gestellt wird, gibt ein doppischer Haushalt eine moderne Antwort auf die aktuellen finanzpolitischen Herausforderungen. Alle bisher bekannten Vermögensermittlungen auf Länderebene zeigen einen eindeutigen Trend zum öffentlichen Vermögensverzehr. Auch die kaufmännischen Geschäftsberichte der Freien und Hansestadt Hamburg weisen ein negatives Eigenkapital auf. Als deutliche Lehre aus den durchlebten Staatsschuldenkrisen bietet der doppische Ansatz für die Haushaltsplanung und
-­rechnung mit mehr Haushaltswahrheit und -klarheit die adäquate Basis für neue nachhaltige Investitions­entscheidungen, die deshalb eigentlich auch nur in diesem Lichte getroffen werden sollten.

Weitere Maßnahmen in Hamburg

Die Entwicklung zu einer generationengerechten und nachhaltigen Finanzpolitik soll in Hamburg um weitere Maßnahmen im Haushaltswesen und in der Berichterstattung ergänzt werden. So wird aktuell daran gearbeitet, den Haushalt stärker interaktiv zu gestalten. Bei der künftigen Berichterstattung zur Nachhaltigkeit sollen neben der finanzwirtschaftlichen Perspektive auch gesellschaftliche, soziale und ökologische Aspekte gezielt in den Blick genommen werden. Mit einer konsequenten Ausrichtung auf Digitalisierung und Nachhaltigkeit will die Hansestadt entlang der Leitplanken von „Investieren, Konsolidieren, Hamburgs Wachstum gestalten“ ihre Finanzpolitik als zentrale Erfolgsvoraussetzung guter Stadtpolitik in die 20er-Jahre führen. Dabei lässt sich Hamburg von der Hoffnung leiten, auch anderen als gutes Beispiel dienen zu können.

Dr. Andreas Dressel ist Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg.




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