Schleswig-HolsteinErsetzendes Scannen erfolgreich eingeführt

[12.11.2020] Die Landesministerien von Schleswig-Holstein haben das rechtssichere und ersetzende Scannen eingeführt. Die Landesverwaltung ist damit die erste, die das neue System auf Ministerialebene umsetzt.
Das rechtssichere und ersetzende Scannen nach BSI TR-RESISCAN hat Schleswig-Holstein in den Landesministerien eingeführt.

Das rechtssichere und ersetzende Scannen nach BSI TR-RESISCAN hat Schleswig-Holstein in den Landesministerien eingeführt.

(Bildquelle: 123rf.com / aurielaki)

Als erste Landesverwaltung ist es Schleswig-Holstein gelungen, auf Ministerialebene die BSI TR-RESISCAN mit der Schutzbedarfsfeststellung ‚hoch‘ für die rechtssicher ersetzende Digitalisierung der papierbasierten Eingänge mit einer Selbstzertifizierung umzusetzen. Seit dem 1. Juli 2020 kann in zwei Schriftgutstellen im produktiven Betrieb rechtssicher ersetzend gescannt werden. Das Pionierprojekt ‚Aufbau einer Schriftgutstelle (SGS) zum rechtssicheren ersetzenden Scannen (SGS-dDocuScan-SH)‘ in einer Landesverwaltung wurde somit erfolgreich beendet. Der Aufbau spezialisierter Schriftgutstellen (SGS), die sämtliche Prozesse der Verarbeitung papiergebundener Postobjekte unter Beachtung der BSI TR-RESISCAN durchführen, wurde im Innen- und Sozialministerium abgeschlossen. Am Projekt beteiligt waren das Digitalisierungsministerium mit dem Zentralen IT-Management der Landesregierung, das Innenministerium, das Sozialministerium sowie Dataport als zentraler IT-Dienstleister für die Landesverwaltung Schleswig-Holstein.
Projektziel war es, die Empfehlungen des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zum rechtssicheren Scannen (BSI Technische Richtlinie 03138 RESISCAN – TR-RESISCAN) in Schleswig-Holstein im Rahmen der verbindlichen E-Akte-Einführung in der Landesverwaltung im Rahmen einer Selbstzertifizierung umzusetzen. Von der Postvorbereitung sollte der zu etablierende Prozess in einer abgesicherten, weitgehend automatisierten Umgebung bis in die revisionssichere E-Akte-Infrastruktur führen. Dabei sollte der Beweiswerterhalt des Papieroriginals soweit wie möglich für die digitale Fassung erhalten bleiben.

Entwicklung und Pilotbetrieb

2015 hat die Projektentwicklung und der Pilotbetrieb einer Schriftgutstelle im Innenministerium unter der Leitung von Klaus Moseleit, Verfahrensverantwortlicher E-Akte im Innenministerium, und Eckhard Lübcke, Gesamtprojektleiter für die ressortübergreifende E-Akte-Einführung in der Landesverwaltung, begonnen. 2016 kam das Sozialministerium als weitere Pilot- und Referenztestumgebung hinzu.
Das Ergebnis der damaligen Risikoanalyse für das Scan-Gut eines Innenministeriums war die Schutzbedarfsfeststellung ‚hoch‘. Damit lagen die Anforderungen aus der TR-RESISCAN deutlich höher als bei dem beispielsweise für Kommunen angewendeten Schutzbedarf ‚normal‘. Auch wenn die Einstufung ‚hoch‘ nur für einen Teil der Eingänge zutraf, wurde aus organisatorischen und finanziellen Gründen entschieden, die Scan-Prozesse nicht in zwei Prozesse mit aufwendiger inhaltlicher Vorprüfung aufzuteilen. Kommunen können für ihren Schutzbedarf ‚normal‘ auf eine Blaupause zurückgreifen, welche die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) mit dem BSI und kommunalen Vertretern erarbeitet hat. Für die dem Projekt in Schleswig-Holstein gestellten Anforderungen gab und gibt es bis heute nichts Vergleichbares. Erfahrungen aus Verwaltungs- und IT-Sicht zur Umsetzung der BSI TR-RESISCAN mit farbigem Scannen und der automatisierten Einbindung des E-Akte-Verfahrens mit dem Schutzbedarf ‚hoch‘ lagen bundesweit nicht vor, sodass hier Pionierarbeit geleistet werden musste.

Organisatorische und personelle Maßnahmen

Vielfältige organisatorische und personelle Maßnahmen begleiteten die technischen Umsetzungen, um die TR-RESISCAN-Anforderungen auf Ministerialebene erfüllen zu können. Als technische Basis der Verfahrensabläufe wurde der Dataport-Grundservice dDocuScan (für einfaches Scannen) auf die speziellen Belange der Landesverwaltung Schleswig-Holstein hinsichtlich der automatisierten Überführung gescannter Unterlagen in die elektronische Posteingangsakte (E-Akte-Verfahren VIS) aufgebaut und gemäß der Zielstellung angepasst. Auf Grundlage umfänglicher Konzeptionierungen und IT-seitiger Anpassungen des Dataport-Grundservices und der passenden Schnittstellenprogrammierung seitens der E-Akte wurde das spezifische Verfahren SGS-dDocuScan-SH für das rechtssichere ersetzende Scannen entwickelt.

Zahlreiche Herausforderungen

Um ein rechtssicheres und ersetzendes Scannen mit dem Schutzbedarf ‚hoch‘ zu ermöglichen und dabei den Beweiswerterhalt soweit wie möglich zu erhalten, galt es im Projekt zahlreiche Herausforderungen zu meistern.
Beispielsweise sollte farbtreu gescannt und in die E-Akte übertragen werden, sodass bei der Übertragung des Papieroriginals auf ein digitales Original der weitestgehend mögliche Beweiswertübergang erreicht wird. Dazu wurde das Konzept der Nutzung von ICC-Farbprofilen (International Color Consortium) aus dem Druckerei-Workflow für Farbkonsistenz über verschiedene Geräte und Software-Lösungen in das Verfahren implementiert.
Außerdem kommen für den Scan-Prozess gesonderte Trennblätter mit Barcodes zum Einsatz, die steuernde Informationen und Basisinformationen zum Papieroriginal enthalten. So kann auf das Aufbringen von Barcodes auf dem Papieroriginal verzichtet werden, das Papieroriginal wird vor dem Scannen nicht verändert. Eine weitere Komponente für die Beweiswerterhaltung ist das vollständige Scannen inklusive aller Leerseiten in einer schreibgeschützten, revisionssicher gespeicherten Bilddatei. So wird sichergestellt, dass auch nach der Vernichtung der Papieroriginale nachgewiesen werden kann, dass die entsprechenden Seiten tatsächlich leer waren. Gleichzeitig wurde durch eine parallele Erstellung einer weiteren OCR-texterkannten PDF-Datei ohne Leerseiten die nutzungsfreundliche Aktenbearbeitung und die Vorgaben des Gesetzes zum digitalen Rechtsverkehr erfüllt. Treiber verschiedenster Geräte mussten mit der zentralen Scan-IT-Infrastruktur harmonisiert und in die IT-Struktur eingepasst werden.

Prüfbar sichergestellt

Es musste darüber hinaus technisch und organisatorisch prüfbar sichergestellt werden, dass alle Digitalisate aus der Behörde vollständig ins E-Akte-Verfahren der Behörde überführt werden. Dazu mussten die Protokollmöglichkeiten aller Komponenten analysiert, angepasst und miteinander synchronisiert werden.
Die Prozesse – von der Scan-Vorbereitung über das Scannen selbst bis hin zur Validierung und die räumliche Ausgestaltung vom Sichtschutz bis zur Zugangskontrolle unter Einhaltung des Arbeitsschutzes – mussten für die Schriftgutstelle in der Landesbehörde entwickelt und umgesetzt werden.
Es galt außerdem rechtssicher festzulegen, welche Papieroriginale vom Scan-Prozess auszunehmen sind und wie mit dem Postgeheimnis und Datenschutzaspekten umgegangen werden soll.
Um sicher zu stellen, dass alle Inhalte eines Postobjekts, das in einer Landesbehörde eingeht, digitalisiert werden können, wurden wiederum entsprechende Geräte getestet und in den Prozess integriert, sodass jetzt von der Visitenkarte bis zur Planungskarte alle Posteingänge in die E-Akte gescannt werden können.

Aufbewahrungsfrist für Papieroriginale

Um alle in Gesetzen und Verordnungen noch enthaltenen Vorgaben zur Möglichkeit des Abgleichs von Papieroriginal mit dem Digitalisat erfüllen zu können und keine unterschiedlichen Fristen zu haben, wurde die Aufbewahrungsfrist für die Papieroriginale auf die längste in einer Rechtsvorschrift vorgegebene Frist auf sechs Monate festgelegt. Nach dieser Frist werden die Papierfassungen rechtssicher vernichtet.
Da es immer noch Rechtsvorschriften gibt, die bei einzelnen Dokumenten eine Papierfassung vorschreiben, werden diese zwar ebenfalls in der SGS gescannt, danach jedoch in einer Rest-Zentralregistratur entsprechend der gesetzlichen Vorgaben aufbewahrt.
Schließlich wurden in Schleswig-Holstein alle Konzepte, Kontrollverfahren und Handlungsanweisungen erstellt, die für die zentralen Verfahrenskomponenten gemäß TR-RESISCAN notwendig sind und es wurden für die beiden Ministerien die diesen Bereich betreffenden Dokumente inklusive der ressortspezifischen BSI-Anlage P aus TR-RESISCAN erstellt.

Selbstzertifizierung gemäß Empfehlungen

Auf Basis der umfangreichen Dokumentation, der ressortspezifischen BSI-Anlage P und den dortigen Verfahrensanweisungen erfolgte die Selbstzertifizierung, wie sie gemäß den Empfehlungen des BSI zum rechtssicheren Scannen (BSI Technische Richtlinie 03138 RESISCAN – TR-RESISCAN) vorgesehen ist: „Durch eine definierte Konformitätsprüfung können Anwender oder Anbieter von Scan-Dienstleistungen einen dokumentierten Nachweis darüber erbringen, dass ihre Prozesse und Systeme für das ersetzende Scannen die hier aufgestellten technischen und organisatorischen Anforderungen nach dem jeweils gewählten Modul erfüllen. Eine nachgewiesene Konformitätsbestätigung und ein darüber erteiltes Zertifikat des BSI kann für Vergabeverfahren vom Bedarfsträger als Leistungskriterium herangezogen werden. Neben einer Zertifizierung kommen je nach Anwendungsfall auch Eigenerklärungen von Scan-Dienstleistern oder auch Anwendern in Betracht. Die TR dient somit insgesamt als praxisorientierter Handlungsleitfaden für die Ordnungsmäßigkeit eines Scan-Prozesses ohne eine damit verbundene Verpflichtung zur Zertifizierung.“
Die Umsetzung zum rechtssicheren ersetzenden Scannen bettet sich als wichtiger Baustein in die verbindliche E-Akte-Einführung in der Landesverwaltung Schleswig-Holstein und die Digitalisierungsstrategie der Landesregierung ein.

Klaus Moseleit ist Referatsleiter „Organisation, E-Akte und Gestaltung“ im schleswig-holsteinischen Innenministerium; Eckhard Lübcke ist stellv. Referatsleiter „Standard IT-Funktionalitäten, IT-Organisation, IT-Projektmanagement“ im schleswig-holsteinischen Digitalisierungsministerium.




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Dokumenten-Management

Niedersachsen: Sozialgerichte arbeiten papierlos

[11.01.2024] Seit dem 1. Januar 2024 arbeiten alle acht niedersächsischen Sozialgerichte ausschließlich mit elektronischen Gerichtsakten. Alle Papierakten werden geschlossen. mehr...

Das Bild zeigt eine Hand auf einer Laptop-Tastatur und kleine Symbole für papierloses Arbeiten.

Nordrhein-Westfalen: Meilenstein bei E-Verwaltungsarbeit

[10.01.2024] In Nordrhein-Westfalen sind mittlerweile mehr als 55.000 Arbeitsplätze der Landesverwaltung vollständig digitalisiert. Zuletzt wurden unter anderem die Bezirksregierung Köln und der Landesbetrieb Straßen.NRW auf die elektronische Akte umgestellt. mehr...

Bundesverwaltung: Hoher Papierverbrauch trotz E-Akte

[08.01.2024] Die Einführung der elektronischen Akte in der Bundesverwaltung ist nahezu abgeschlossen. Der Papierverbrauch der Behörden ist aber nach wie vor hoch. mehr...

Mecklenburg-Vorpommern: Vereinbarung für neue E-Akte

[14.09.2023] In Mecklenburg-Vorpommern sollen künftig nicht nur alle Ministerien, sondern auch alle Ressorts der Landesverwaltung Akten und Vorgänge elektronisch bearbeiten. Dabei wird die bisherige Lösung DOMEA von der eGov-Suite des Herstellers Fabasoft abgelöst. mehr...

d.velop: Partnerschaft mit natif.ai

[14.08.2023] Ab sofort kooperiert der Dokumenten-Management-Spezialist d.velop mit dem deutschen KI-Start-Up natif.ai. Dessen DSGVO-konforme Dienste können Dokumente sortieren, trennen und verschiedenste Informationen daraus automatisiert auslesen. mehr...

d.velop/Parashift: Content-Services-Plattform lernt KI

[13.07.2023] Das Unternehmen d.velop schließt eine Partnerschaft mit dem Unternehmen Parashift, das auf KI-basierte Dokumentenextraktion spezialisiert ist. So sollen die Datenextraktion und die automatisierte Ablage innerhalb von d.velop-Lösungen optimiert werden. mehr...

Nordrhein-Westfalen: E-Akte in Finanzämtern und Gerichten


[12.04.2023] In Nordrhein-Westfalen arbeiten künftig die Finanzämter sowie die ordentliche Gerichtsbarkeit mit der elektronischen Akte. mehr...

Eine Informationsmanagementplattform erleichtert in Norwegen künftig die technische Dokumentation für die Straßeninfrastruktur.

Norwegen: Plattform für Straßenverwaltung

[31.03.2023] Die technische Dokumentation aller Nationalstraßen sowie von 6.000 Brücken und 600 Tunneln wird die norwegische Straßenverwaltung künftig mithilfe einer metadatengesteuerten Plattform verwalten. mehr...

Niedersachsen: E-Akte in immer mehr Ministerien

[09.02.2023] Die Einführung der elektronischen Akte in der niedersächsischen Landesverwaltung kommt voran. Mittlerweile sind 13.500 Arbeitsplätze mit der E-Akte ausgestattet. mehr...

Thüringen: Verwirrung um Datenpanne

[10.11.2022] Über die Ursachen einer Datenpanne in der Thüringer Landesverwaltung wurden falsche Informationen verbreitet. Der Verlust digitaler Dokumente geht tatsächlich auf eine selbst entwickelte Löschroutine des Thüringer Landesrechenzentrums zurück. mehr...

Thüringen: E-Akten versehentlich gelöscht

[20.10.2022] 
Ein Fehler in der Löschroutine des Dokumenten-Management-Systems hat in Thüringen zur versehentlichen Löschung von digitalen Dokumenten der Landesverwaltung geführt. Aufgefallen war die Datenpanne erst Monate später. 
 mehr...

Eine durchgängige Digitalisierung der Verwaltung ist mit papierbasierten Prozessen nicht möglich.
bericht

Content-Services-Plattform: Digitale Autobahn statt Papierstau

[02.09.2022] Moderne Content-Services-Plattformen stellen das nächste Level im Dokumenten-Management dar: Sie ermöglichen nicht nur die Digitalisierung papiergebundener Dokumente, sondern fungieren als zentraler Knotenpunkt, an dem Daten aus unterschiedlichsten Kommunikationskanälen und Applikationen zentral zusammengeführt werden. mehr...

Optimal Systems: Neuerungen bei enaio 10.10

[19.08.2022] Der Software-Anbieter Optimal Systems stellt die neue Ausgabe seines ECM-Systems enaio vor. Mit dem Update auf Version 10.10 wurden vor allem die Themen Co-Working, Sicherheit und Transparenz in den Fokus genommen, auch der Arbeits- und Administrationsaufwand soll geringer werden. mehr...

nscale: Archivierung nach GoBD bestätigt

[15.08.2022] Eine unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bescheinigt der EIM-Software nscale, dass sie für GoBD-konforme Archivierung geeignet ist. Anwender der Lösung können so im Fall einer Betriebsprüfung die Compliance-Konformität für die digitale Archivierung einfacher nachweisen. mehr...

Hessen: HVBG verabschiedet sich von der Papierakte

[20.04.2022] Die Hessische Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation (HVBG) hat nach einer mehrjährigen Pilot- und Umstellungsphase alle ihre Ämter, Dienst- und Anlaufstellen auf die digitale Aktenführung umgestellt. Rund 1.400 Arbeitsplätze sind davon betroffen. mehr...