WissensmanagementDie Boomer-Generation geht

[27.10.2022] Der Pensions- oder Renteneintritt der so genannten Boomer-Generation wird den Personalmangel in der Verwaltung weiter verschärfen. Ein nie dagewesener Wissensexodus droht. Es gilt nun, dieses Wissen nachhaltig zu sichern, verfügbar zu machen und weiterzuentwickeln.

Der öffentliche Sektor in Deutschland steuert auf einen dramatischen Fachkräftemangel zu: Bis zum Jahr 2030 wird mehr als jeder dritte Beschäftigte in den Ruhestand gehen. Da es den Behörden an Nachwuchs mangelt, klafft eine Personallücke von über 730.000 Beschäftigten. Davon entfallen ungefähr 400.000 auf die mittlere Führungsebene, die für die Umsetzung von Zukunftsinitiativen von besonderer Bedeutung ist. Dies sind zentrale Ergebnisse einer Studie von McKinsey mit dem Titel „Die Besten, bitte – Wie der öffentliche Sektor als Arbeitgeber punkten kann“. Für die Studie wurden 165 Führungskräfte des öffentlichen Dienstes befragt und die aktuellen Personalstatistiken aus Bund und Ländern ausgewertet.
Der Personalschwund ist auch deshalb so stark, weil die so genannte Boomer-Generation in den Ruhestand geht. Über Jahre haben diese Mitarbeitenden viel Wissen gesammelt. Oft ist dieses aber nur in deren Kopf, persönlichen Unterlagen oder auf lokalen Laufwerken gespeichert. Geht die betreffende Person in den Ruhestand, geht das Wissen für die Verwaltung verloren. Mit dem Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge droht nun ein nie dagewesener Wissensexodus. Deshalb müssen Behörden dringender denn je ihren Umgang mit Wissen neu denken und diese wertvolle Ressource nachhaltig sichern. Wissensmanagement ist das Gebot der Stunde, also Wissen erwerben, entwickeln, strukturieren, transferieren, abspeichern und verfügbar machen.

Alle Mitarbeitenden profitieren

Davon profitieren sämtliche Behördenmitarbeitende. Zum einen sind das die Jobeinsteigerinnen und -einsteiger. Für sie ist es wichtig, dass sie alle für ihren persönlichen Wissensaufbau und die spätere Anwendung notwendigen Informationen von Anfang an vollständig, strukturiert und jederzeit griffbereit haben. Auf diese Weise erhalten sie schnell einen Überblick und verstehen Zusammenhänge, ohne sich erst die benötigten Informationen zusammensuchen zu müssen. Stattdessen können sie sich ganz auf die inhaltliche Einarbeitung konzen­trieren. Zum anderen profitieren die erfahrenen Mitarbeitenden – etwa beim Onboarding. Denn neue Kolleginnen und Kollegen einzuarbeiten, ist aufwendig. Mit zentral bereitgestellten, gesicherten, vollständigen, gut strukturierten und leicht verständlich aufbereiteten Inhalten ist hingegen eine in weiten Teilen selbstständige Einarbeitung möglich.
Führungskräfte müssen ihren Mitarbeitenden die Ressourcen zur Verfügung stellen, die sie bestmöglich dazu befähigen, ihre Arbeit zu tun – und dazu gehört auch das Wissen. Systematisch muss es erfasst und zur Verfügung gestellt werden, damit alle Mitarbeitenden immer und von überall darauf zugreifen können.
Dank Digitalisierung ist das ganz einfach: keine Lose-Blatt-Sammlungen und gedruckten Bücher mehr, stattdessen digitale Lösungen wie Intranet, E-Akte oder Dokumenten-Management-Systeme (DMS). Damit wird auch das dezentrale und flexible Arbeiten möglich, weil alle für den Wissensaufbau und -austausch wichtigen Informationen jederzeit und überall abrufbar sind. Voraussetzung dafür ist nicht allein das digitale Vorliegen der Inhalte, sondern auch ein System, das den Zugriff von überall erlaubt, also entweder ein Remote Server oder eine Cloud. Die Herausforderungen dabei: eine zentrale Pflege der Inhalte.

Für das Wissensmanagement sensibilisieren

Die Verantwortung dafür, digitales Know-how aufzubauen und fachbereichsübergreifende (Digitalisierungs-)Initiativen zu fördern, tragen ebenfalls die Führungskräfte. Entsprechend ist es ihre Aufgabe, die Mitarbeitenden als wesentliche Träger von Fachwissen für das Wissensmanagement zu sensibilisieren. Um den Stellenwert des Wissensmanagements deutlich zu machen und seine Umsetzung im Arbeitsalltag zu verankern, kann das Thema in die Zielvereinbarungen aufgenommen oder als Zielsetzung der Behörde explizit definiert werden. Neben dem Etablieren von Prozessen und Instrumenten zum Wissensmanagement sollten sich die am Wissensmanagement-Prozess beteiligten Teams selbst organisieren können. Fortschritt sollte gemeinsam beurteilt werden, um die nächsten Schritte zu definieren.
Eine praktische Methode, um Wissen zu erfassen, sind Workshops. Digital können Kollaborationsanwendungen oder Projekt-Boards beim Wissensmanagement unterstützen. Im Nachgang muss das erfasste Wissen außerdem aufbereitet werden. Gemäß dem Living-Documents-Ansatz sollten die Dokumente laufend ergänzt werden. Aus diesem Grund sollte die Hemmschwelle für Mitarbeitende niedrig gehalten werden, ihr Wissen einzubringen. Beispielsweise können gemeinsam entwickelte Tem­plates als praktische Methode zur Wissenserfassung dienen. Ein einfaches digitales Instrument kann bereits ein Word-Dokument sein, das auf einem gemeinsamen Laufwerk im Änderungsmodus mit einer Kommentarfunktion laufend ergänzt wird. In regelmäßigen Terminen kann eine Zwischenversion erstellt werden, die das behandelte Wissensobjekt abschließend darstellt oder die Grundlage für weitere Ergänzungen bildet.

Anforderungen an eine digitale Lösung

Entscheidet sich eine Behörde für eine professionelle digitale (Rechts-)Wissensmanagement-Anwendung, sollte diese gewisse Anforderungen erfüllen. Dazu zählt eine Versionskontrolle für die Behörde und den Dienstleister. Ein flexibles Rollen- und Rechte-Management kann klären, wer Informationen hinzufügen, bearbeiten oder veröffentlichen darf. Die das Projekt initiierenden Führungskräfte sollten zudem klare Vorstellungen davon haben, über welche Kompetenzen die am Wissensmanagement beteiligten Mitarbeitenden verfügen sollen. Außerdem ist es an den Führungskräften, Wissen in den relevanten Systemen und Prozessen verfügbar zu machen sowie Schnittstellen zu Fachverfahren und E-Akten zu schaffen.
Die Wissensmanagement-Anwendung sollte des Weiteren Verweismöglichkeiten unterstützen, sodass relevante Inhalte an anderen digitalen Orten eingebunden werden können. Automatisierte Benachrichtigungen an die Nutzenden bei Änderungen und Updates sind ein zusätzlicher Pluspunkt. Organisationsstrukturen im System müssen für die jeweilige Behörde einstellbar und bei Bedarf einfach anzupassen sein.

Franz Schlickum ist Senior Product Manager eGovPraxis bei Wolters Kluwer Deutschland.




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