RegistermodernisierungDaten müssen in den Fokus
Dank Onlinezugangsgesetz (OZG) haben sich die Gebietskörperschaften vor allem damit beschäftigt, wie die Bürgerinnen und Bürger Anträge online bei der Behörde einreichen können. Viel Energie und Zeit ist in die entsprechenden Projekte geflossen. Zur Entlastung der Verwaltung und zur Effizienzsteigerung hat dies aber nur in wenigen Fällen beigetragen. Das liegt vor allem daran, dass die digital von den Bürgerinnen und Bürgern erfassten Daten selten direkt in die Fachanwendungen der Verwaltung übernommen werden können, mit der Folge, dass diese Lücke überwunden werden muss. Häufig geschieht das durch händische Erfassung im Fachverfahren. Zudem wird den Bürgerinnen und Bürgern auch in den Online-Formularen die Eingabe ohnehin schon mehrfach bei der Behörde vorhandener Daten abverlangt, was ein ständiges Ärgernis ist. Überdies steigt mit jeder händischen Eingabe die Fehlerwahrscheinlichkeit.
Redundanzen und andere Strukturen
Warum ist das so? Ein Großteil der Fachverfahren greift auf eine jeweils eigene Datenbank, so genannte Register, zurück. Diese Datenbanken weisen eine große Zahl redundanter Daten auf, die zum Teil auch noch jeweils anders strukturiert sind. Einmal sind in der Adresse Straßenname und Hausnummer in einem Datenfeld, in einer anderen Datenbank ist dies getrennt. In der einen Datenbank gibt es ein Auswahlfeld für Titel, in der anderen können diese in ein Freifeld eingetragen werden, mit der Folge, dass sich Inkonsistenzen einstellen. So lässt sich ein Doktorgrad erfassen mit Dr., Dr, Doktor. Hinzu kommt, dass mit zunehmender Anzahl von Dateneingaben die Wahrscheinlichkeit von Fehlern beispielsweise in Form von Buchstabendrehern steigt. Werden Name und Anschrift einer Person in 50 Registern einzeln erfasst anstatt in wenigen Zentralregistern, ist dies offensichtlich. Natürlich ist ein Teil der Register über Schnittstellen verbunden, aber erstens eben nur ein Teil, zweitens funktioniert das nur, wenn die Datenfelder konsistent sind, also zum Beispiel in Datenbank A und Datenbank B die Hausnummer jeweils als separates Datenfeld vorliegt, drittens funktionieren Schnittstellen häufig nach einem Release-Wechsel nicht mehr und viertens erkennt die Schnittstelle keine Datenfehler. So kann „Thomas Meuche“ in der einen Datenbank nicht dem „Thomas Muche“ in der anderen automatisch zugeordnet werden, obwohl es sich um dieselbe Person handelt und lediglich ein Schreibfehler vorliegt.
Es gibt technische Ansätze zur Lösung dieses Problems, sie sind aber aufwendig und kommen bislang in der öffentlichen Verwaltung kaum zum Einsatz. Diese Schwierigkeiten in den Datenstrukturen und bei der Datenqualität führen zu ganz eigenen Prozessen, über die versucht wird, die damit verbundenen Mängel zu beheben. Ein solcher Prozess ist die Anforderung und Vorlage einer Geburtsurkunde bei einer Behörde. Die Geburtsurkunde als Auszug aus dem Geburtsregister greift auf die Urdaten zu, sozusagen die einzig mit Sicherheit richtigen.
Unglaubliche Zeitersparnis
Man stelle sich vor, es gäbe nur eine einzige Datenbank für die Bürgergrunddaten, gewissermaßen eine Bundesbürger-Cloud, die mit einer BürgerID versehen wäre; ansonsten fänden sich die Daten in keinem anderen Register mehr. Dann gäbe es genau einen Ort, an dem die Daten gepflegt, gespeichert und gesichert werden müssten. In die Fachverfahren würden die Bürgerdaten nur direkt über die BürgerID eingelesen ohne dort gespeichert zu werden. Alleine das würde in Summe auf die gesamte Gesellschaft bezogen eine unglaubliche Zeitersparnis bringen. Prozesse ließen sich zum Teil erheblich beschleunigen und effizienter gestalten, manche könnten auch entfallen. Gleiches ließe sich unter anderem auf Unternehmens- und Grundstücksregister anwenden. Im Kontext der Verwaltungsdigitalisierung werden KI-Anwendungen oft als ultimative Lösung gesehen. Diese Anwendungen erfordern aber klare Datenstrukturen und eine hervorragende Datenqualität. Ist das nicht gegeben, liefern diese Systeme keine brauchbaren Ergebnisse.
Dass Daten für die Digitalisierung der Verwaltung eine Rolle spielen, hat auch der Gesetzgeber auf Bundes- und Europaebene erkannt. In Deutschland wurde deshalb das Registermodernisierungsgesetz geschaffen, das in den kommenden Jahren umgesetzt werden soll. Der Leitgedanke ist das Once-Only-Prinzip. Das heißt, Behörden in Deutschland und künftig innerhalb der Europäischen Union sollen über eine ID bestimmte Nachweise automatisiert austauschen können. Dazu werden technische Standards in TDDs (Technical Design Documents) beschrieben, welche die Basis für das NOOTS (National Once Only Technical System) auf nationaler und des EU-OOTS auf EU-Ebene darstellen. Voraussetzung für das Ganze ist die Festlegung eines einheitlichen Zugangs, also einer ID, die in der Single-Digital-Gateway-Verordnung geregelt ist. Damit sind wichtige Grundlagen geschaffen.
Chance auf den großen Wurf vergeben
Leider konnte man sich in Deutschland bislang nicht darauf verständigen, im Zuge der Registermodernisierung auch gleich eine Registerkonsolidierung durchzuführen. Nach aktuellem Stand sollen die existierenden Strukturen beibehalten werden – und damit auch alle mit redundanten Datenhaltungen zusammenhängenden Probleme. Betrachtet man nur Geburten-, Melde- und Passregister, stellt sich die Frage, warum diese nebeneinander existieren müssen. Ein Großteil der dort gespeicherten Daten ist identisch. Die Chance auf den großen Wurf hin zu einer nationalen Bürger-Cloud, wie sie die digitalen Vorzeigeländer Estland oder Dänemark schon lange praktizieren, ist erst mal vergeben. Aber erst die Registerkonsolidierung würde zu signifikanten Vereinfachungen bei Prozessen führen und manche gar komplett überflüssig machen. Auf einer dann einheitlichen Datenbasis ließen sich auch einheitliche Prozesse aufsetzen.
Wissen um Daten und Prozesse muss gefördert werden
Wie geht es jetzt weiter? Die Umsetzung der Registermodernisierung wird ein riesiges Projekt für die Gebietskörperschaften, denn bei diesen liegen die meisten Register. Viele, durchaus auch große Verwaltungseinheiten wissen aber bis heute gar nichts von der Existenz der entsprechenden Vorschriften, geschweige denn, dass sie eine Vorstellung davon haben, wie das zu bewältigen ist. Die Zeitvorgaben für die Umsetzung sind jedoch eng.
Die Zukunft der Verwaltung basiert auf Daten und Prozessen, das machen nicht zuletzt die entsprechenden Gesetze wie OZG und Registermodernisierungsgesetz klar. Ohne Mitarbeitende und Führungskräfte mit einem grundlegenden Verständnis für diese Themen gelingt die Digitalisierung nicht. Die rein juristisch geprägte Aus- und Weiterbildung der öffentlichen Verwaltung, wie sie heute vorherrscht, kann so keinen Bestand haben. Gerade auch in Führungspositionen wird das Wissen um Daten und Prozesse künftig unabdingbar sein, egal welchem Bereich man vorsteht. Denn Digitalisierung ist nicht Aufgabe der IT, sondern eines jeden Bereichs. Die IT stellt nur die Systeme bereit und kann bei der Datenanalyse helfen, die Prozesse und damit die Datenflüsse liegen in der Verantwortung der Fachbereiche.
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