DigitalstrategieBedenken von Branchenverbänden

[01.09.2022] Das Bundeskabinett hat seine neue Digitalstrategie endgültig verabschiedet. Der Bitkom und der Bundesverband Digitale Wirtschaft nahmen bereits Stellung. Beide Verbände haben Zweifel, ob die Strategie die Digitalisierung in Deutschland so weit voranbringt, wie es notwendig wäre.

Am 31. August 2022 hat das Bundeskabinett die vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) vorgelegte Digitalstrategie verabschiedet. Damit sollen der übergeordnete Rahmen der Digitalpolitik in Deutschland für die aktuelle Legislaturperiode vorgegeben und das Vorankommen der Digitalisierung in allen Bereichen verbessert werden. Der ITK-Verband Bitkom und der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) haben sich bereits zur Digitalstrategie Deutschland geäußert.
Bereits im Juli hatte der Bitkom einen Vorentwurf des Strategiepapiers kritisch kommentiert (wir berichteten). Die meisten der damals angesprochenen Punkte finden sich auch in der endgültigen Fassung der Digitalstrategie wieder und der Bitkom bekräftigte seine Kritik in fast allen Punkten. Positiv hob der Branchenverband hervor, dass erstmals ein digitalpolitisches Grundsatzpapier vorliege, das nicht nur einzelne Maßnahmen auflistet, sondern Digitalpolitik ganzheitlich angehe. Die Digitalstrategie setze zudem konkrete Schwerpunkte bei besonders wichtigen Projekten. Deren Hebelwirkung könne der Digitalisierung Deutschlands durchaus einen kräftigen Schub verleihen. Der Bitkom mahnt jedoch erneut eine zügige Umsetzung an. Hier sei das Digitalministerium in der Verantwortung. Es solle sicherstellen, dass die Strategie von den beteiligten Ressorts schnellstmöglich und vollständig umgesetzt werde. Dafür müssten „ausnahmslos alle Häuser an einem Strang ziehen“.

Fixe Umsetzungvorgaben fehlen fast überall

Während der Verband im Juli noch eine zu ungenaue Definition der umzusetzenden Ziele monierte, begrüßte der Bitkom jetzt, dass sich die Bundesregierung verbindliche Ziele gesetzt habe, an denen in den kommenden Jahren der (Miss-)Erfolg deutscher Digitalpolitik sichtbar werden könne. Zumindest einige der in der Digitalstrategie benannten Ziele seien mit konkret messbaren Zielwerten versehen; so etwa die Glasfaserversorgung der Hälfte der Haushalte und Unternehmen bis 2025. Dieser Ansatz müsse aber noch konsequenter verfolgt werden, betonte der Bitkom. Noch immer blieben zu viele Zielstellungen im Ungefähren, tatsächliche Fortschritte seien so unüberprüfbar.
Solche genauen Umsetzungsvorgaben fehlten auch für die wichtigen, von der Bundesregierung priorisierten Themen: der Ausbau von Gigabitnetzen und Datenräumen, international einheitliche Normen und Standards sowie sichere digitale Identitäten – so genannte eIDs – und moderne Register. Hier vermisst der Bitkom ein angestrebtes hohes Umsetzungstempo. Dies gelte auch für andere zentrale Projekte, wie die Abschaffung von Schriftformerfordernissen per Generalklausel.
Schließlich bescheinigt der Bitkom der deutschen Digitalstrategie in zu vielen Bereichen einen Mangel an Ambitionen. So wäre etwa das Ziel, im Digitalindex der Europäischen Union in die Top 10 zu klettern, schon mit einer Verbesserung um bescheidene drei Plätze erreicht. Die Digitalstrategie markiere einen wichtigen Meilenstein – die nötige digitale Zeitenwende läute sie aber nicht ein, so der Bitkom abschließend.

Infrastruktur zu stark, Daten zu wenig im Fokus

Auch das Urteil des Bundesverbands Digitale Wirtschaft zur Digitalstrategie des Bundes fällt gemischt aus. Zwar gebe es einige positive Ansätze, doch bleibe die Strategie in zentralen Punkten hinter den durch den Koalitionsvertrag geschürten Erwartungen zurück.
So werde der zentrale Begriff Daten zwar an vielen Stellen prominent genannt – so sei die Rede von Datenräumen, Cloud-Services, dem Datenprojekt Gaia-X und dem Dateninstitut für Standardisierung – dennoch werde die Digitalisierung weiterhin vorrangig von der Hardware aus gedacht. Wie schon in den vergangenen zwei Jahrzehnten priorisiere die Bundesregierung erneut Themen, die längst abgearbeitet sein sollten und es laut dem aktuellen Bericht der EU-Kommission weitestgehend auch seien, so der BVDW (wir berichteten). Für innovative Angebote und kreative Anwendungen fehlten jedoch übergreifende Konzepte und eine hinreichende Förderung.
Um den Rohstoff Daten zu nutzen, werde zudem ein sicherer Rechtsrahmen benötigt, der die Verbraucherschutzinteressen und die Anforderungen der Digitalwirtschaft in Einklang bringe. Doch die Digitalstrategie überlasse die Aufsicht über die Datenverarbeitung weiterhin „den Wirrungen des Föderalismus“. Auch der in der Digitalstrategie angelegte „Digitalcheck“ für Gesetzesvorhaben sei unzureichend, da er lediglich auf prozessuale oder formalistische Fragen beschränkt sei. Ohne eine Förderung von datenbasierten Lösungen – stattdessen mit einer „überproportionalen Betonung der Bedenken“ – werde es für die Bundesregierung kaum möglich sein, die ambitionierten Ziele der Digitalisierung zu erreichen. Lösungen, die eigentlich in Deutschland entstehen könnten, drohen so zu teurer Importware zu werden, sagte BVDW-Vizepräsident Thomas Duhr.





Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik
Montage: ein aufgeklappter Laptop, er Monitor enthält Karteischubladen, eine davon ist ausgezogen und ragt aus dem Bildschirm heraus.

: Digitalisierung findet in der Fachlichkeit statt

[20.12.2024] Das BVA berichtet über die Rolle der Fachministerkonferenzen für die Registermodernisierung. In Erprobungsprojekten geht es auch darum, den Weg für die Anbindung der Fachverfahren an die Komponenten der Registermodernisierung zu ebnen. mehr...

Weißes Paragrafenzeichen (dreidimensional) lehnt an einer blau-grauen Wand

Gesetzgebung: Migrationsverwaltung wird digitaler

[19.12.2024] Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf zur Digitalisierung der Migrationsverwaltung beschlossen. Geplant sind effizientere Abläufe durch verbesserten Datenaustausch, digitale Verfahren und eine zentrale Speicherung relevanter Informationen. mehr...

Außenansicht des Ministeriums des Innern und für Kommunales in Potsdam, ein weißes, klassizistisches Gebäude

Brandenburg: Digitalisierung kommt voran

[18.12.2024] Brandenburg hat im Jahr 2024 deutliche Fortschritte bei der Verwaltungsdigitalisierung gemacht: Insgesamt sind jetzt 650 digitale Verwaltungsdienste verfügbar. Die vom Land federführend entwickelten Dienste im OZG-Themenfeld Ein- und Auswanderung finden weitere Verbreitung. mehr...

Staatssekretär Torsten Weil und Digitalminister Steffen Schütz stehen gemeinsam auf den Stufen vor dem Ministerium.

Thüringen: Steffen Schütz ist Minister für Digitales

[18.12.2024] Steffen Schütz wurde zum neuen Thüringer Minister für Digitales und Infrastruktur ernannt. Der Nachfolger von Susanna Karawanskij will die Digitalisierung vorantreiben, um die Lebensqualität und wirtschaftliche Entwicklung des Freistaats zu stärken. mehr...

martin-Hagen_bremen
interview

Digitalisierung: IT-Budgets zusammenziehen

[17.12.2024] Dr. Martin Hagen, Staatsrat beim Senator für Finanzen in der Freien Hansestadt Bremen, spricht über seine Vorschläge zur Registermodernisierung und fordert mehr Zentralisierung bei der Steuerung und Budgetierung von IT-Großprojekten. mehr...

Markus Richter

CIO Bund: IT-Entscheidungen zentralisieren

[17.12.2024] Bundes-CIO Markus Richter fordert eine stärkere Zentralisierung der IT-Steuerung im Bund. Fehlende Entscheidungsbefugnisse und langwierige Prozesse behinderten die Digitalisierung der Verwaltung. Ein zentrales Gremium und Budget sollen Effizienz und Interoperabilität sichern. mehr...

Symbolbild Digitalstrategie

Bitkom: Digitalministerium als Antreiber nötig

[16.12.2024] Der Bitkom kommentiert den Abschlussbericht zur Digitalstrategie und schließt sich dabei der Kritik des Beirats an. Die Digitalpolitik der Ampel sei Stückwerk geblieben. Für echten Fortschritt brauche es nun ein eigenständiges Digitalministerium mit klaren Kompetenzen und einem eigenen Budget. mehr...

Symbolbild: Hand balanciert Deutschland-Silhouette, davor ein netzwerk aus Linien und Punkten.

Once Only: Staatsvertrag schafft vernetzte Verwaltung

[13.12.2024] Mit einem Staatsvertrag haben Bund und Länder die Grundlage für das National-Once-Only-Technical-System (NOOTS) geschaffen. NOOTS soll Verwaltungsdaten vernetzen – ein wichtiger Baustein, um Nachweise künftig nur einmal zu erbringen. mehr...

Blick auf das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus (MELH) aus dem Paul-Löbe-Haus (PLH). Im beleuchteten Anhörungssaal findet eine Sitzung statt.

Bundestag: Open Source in der Verwaltung

[12.12.2024] In einer Anhörung des Bundestages zum Thema Open Source wurde das bisherige Engagement der Bundesregierung als unzureichend bewertet. Experten unterstrichen die Chancen von Open-Source-Software für digitale Souveränität, Innovation und Kostensenkung und forderten mehr gesetzliche Maßnahmen und Investitionen. mehr...

Cover „Aktionskonzept Digitalisierung der Berliner Verwaltung für die Wirtschaft 2024-2026”

Berlin: Verwaltungsdigitalisierung für die Wirtschaft

[03.12.2024] Berlin will die Digitalisierung der Verwaltung gezielt auf die Bedürfnisse der Wirtschaft ausrichten. Mit dem Aktionskonzept 2024-2026 sollen digitale Behördendienste ausgebaut, Unternehmen durch DIWI entlastet und die Stadt als Innovationsstandort gestärkt werden. mehr...

Gruppe von Personen in formeller Kleidung, auf einer Treppe zum Gruppenfoto aufgestellt.

NKR: Erstes Bund-Länder-Treffen zum Digitalcheck

[02.12.2024] Der Digitalcheck stößt zunehmend auch auf Interesse in den Bundesländern. Beim ersten Bund-Länder-Treffen in Berlin diskutierten die Teilnehmenden über rechtliche Verankerung, Anwendungsbereiche und weitere Pläne zur Umsetzung. mehr...

Bundesdigitalminister Dr. Volker Wissing und der israelische Botschafter Ron Prosor.

BMDV: Deutschland und Israel starten Digitaldialog

[29.11.2024] Deutschland und Israel verstärken die digitale Zusammenarbeit: Bundesdigitalminister Wissing und Botschafter Prosor haben eine Absichtserklärung unterzeichnet, um den Austausch in Bereichen wie KI, Quantencomputing und Start-up-Kooperationen zu intensivieren. mehr...

Cover der Open-Source-Strategie des Landes Schleswig-Holstein

Schleswig-Holstein: Open-Source-Strategie veröffentlicht

[26.11.2024] Schleswig-Holstein hat seine Open-Innovation- und Open-Source-Strategie vorgestellt. Geplant sind unter anderem konkrete Schritte hin zum digital souveränen IT-Arbeitsplatz der Landesverwaltung und die Beteiligung an der Deutschen Verwaltungscloud. mehr...

Das Bild zeigt Bayerns Digitalminister Fabian Mehring.

Bayern: Neue Digitalisierungsinitiativen

[26.11.2024] Der bayerische Digitalminister Fabian Mehring stellte in München neue Initiativen zur Digitalisierung der Verwaltung vor. Außerdem forderte er ein eigenes Digitalministerium auf Bundesebene, um zentrale Vorhaben gezielt umzusetzen. mehr...

Berlin: Eckpunkte für Digitalcheck

[21.11.2024] Die Eckpunkte für die Einführung eines Digitalchecks hat der Berliner Senat beschlossen. Der Geschäftsbereich der Chief Digital Officer soll jetzt ein Konzept inklusive eines vorgeschalteten Pilotvorhabens erarbeiten. mehr...