FellowshipsArbeiten am digitalen Staat
Seit 2018 bringen Christina Lang, Sonja Anton und Andrej Safundzic mit dem Fellowship Tech4Germany jährlich digital-affine Nachwuchstalente für einen begrenzten Zeitraum in die Bundesverwaltung, wo sie gemeinsam mit den Behördenmitarbeitern an konkreten technologischen Herausforderungen arbeiten. Die als studentische Initiative gestartete Idee ist seit Sommer 2019 ein unabhängiges Non-Profit-Unternehmen, das dieses Jahr mit einem weiteren Fellowship namens Work4Germany Zuwachs erhalten hat. Die beiden sich ergänzenden Programme stehen unter der Schirmherrschaft von Bundesminister Helge Braun, Chef des Bundeskanzleramts.
Vor etwa zwei Jahren schlug Andrej Safundzic dem Bundeskanzleramt in einer E-Mail die Idee für Tech4Germany vor, Sonja Anton bewarb sich als erste Fellow bei Tech4Germany und Christina Lang, die beratend im öffentlichen Sektor tätig war, wechselte als Freelancerin ins Auswärtige Amt, wo sie basierend auf ihren eigenen Erfahrungen das Konzept zu Work4Germany entwickelte. Alle drei trieb die gleiche Frage an: Wieso funktioniert Digitalisierung im Privatsektor so viel schneller und besser als in der öffentlichen Verwaltung? „In der freien Wirtschaft ist es ganz natürlich, dass Produkte nutzerzentriert entwickelt werden. Wir haben uns gefragt, wieso das in der Verwaltung nicht passiert und haben schnell gemerkt: Es macht einfach keiner“, erzählt Sonja Anton, Leiterin von Tech4Germany.
Nutzer im Fokus
Die Idee von Tech4Germany und Work4Germany ist denkbar einfach: Lernen durch Team-Arbeit auf Augenhöhe zwischen Fellows und Behördenmitarbeitern sowie stetige Verbesserung der Ergebnisse durch wiederholte Feedback-Schleifen mit denjenigen, die die Produkte tatsächlich nutzen werden.
Bei Tech4Germany arbeiten jeden Sommer rund 30 Programmierer, Produkt-Manager und Designer mit Bundesministerien und -behörden zusammen. In kleinen Teams wird in drei Monaten auf einen Prototypen hingearbeitet, der vor allem ein Kriterium erfüllen muss: Er muss den Bedürfnissen der Bürger entsprechen. Zudem muss er einfach zu verstehen und anzuwenden sein. In den zwölf Wochen werden immer wieder die Meinungen von Nutzern eingeholt. Ihr Feedback zu Funktionalität und Bedienerlebnis dient dazu, das Produkt zu verbessern.
Die Weiterentwicklungen der Prototypen aus dem Fellowship befinden sich teilweise im Einsatz in den Ministerien. Für das Auswärtige Amt beispielsweise entwickelte ein Team den Rotationsplaner. Hintergrund: Rund 4.000 Diplomaten wechseln jährlich ihren Standort. Mit dem von Tech4Germany erstellten Tool befinden sich alle zugehörigen, administrativen Prozesse erstmals in einem individualisierbaren Web-Format. Ein weiteres Tech4Germany-Projektergebnis: Die webbasierte Benutzeroberfläche der ab 2020 verpflichtenden E-Rechnung wurde so optimiert, dass die durchschnittliche Eingabedauer einer typischen Rechnung von 28 auf 5 Minuten reduziert werden konnte (wir berichteten).
Im Tandem zu Innovation
Ein weiterer Erfolgsindikator ist die Anzahl an Projektvorschlägen für das diesjährige Fellowship. Mehr als 70 Ideen aus allen Bundesministerien und nachgelagerten Behörden wurden seit November 2019 eingereicht. Acht Projekte kann Tech4Germany dieses Jahr umsetzen.
Dass die digitale Weiterentwicklung der öffentlichen Verwaltung nicht nur ein technologisches, sondern auch ein organisatorisches Problem ist, hat Christina Lang, CEO von Tech4Germany und Work4Germany, in ihrer Zeit als freie Mitarbeiterin im Digitalisierungsstab des Auswärtigen Amtes gelernt. „In der freien Wirtschaft werden die Angestellten ermutigt, den Status quo zu hinterfragen. Zudem werden ihnen Kompetenzen und Methoden an die Hand gegeben, die sie befähigen, Veränderungen selbst zu gestalten. In der Verwaltung hat diese Entwicklung vielerorts nicht stattgefunden.“
Aus diesem Grund bringt Work4Germany 2020 erstmal methodisch starke Nachwuchstalente aus der Wirtschaft mit den Innovationstreibern der Ministerien zusammen. In sechs Monaten arbeiten die Innovations-Tandems als Team an Projekten, die verschiedene Bereiche des jeweiligen Ministeriums betreffen und deshalb von einer koordinierenden Rolle profitieren könnten. Projektabläufe neu denken, Abstimmungsprozesse vereinfachen, Fortschritt spiegeln und interdisziplinär auf Sinnhaftigkeit zu überprüfen sind einige Impulse, die Work4Germany in die öffentliche Verwaltung bringen möchte. Insgesamt zielt das Programm darauf ab, die Beschäftigten von innen heraus zu befähigen, Projekte effektiv auf- und umzusetzen und die Arbeitskultur in Behörden langfristig zu verändern.
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