BMJDer Weg zum Zivilprozess der Zukunft

[19.07.2024] Eine Bund-Länder-Reformkommission befasst sich mit Digitalisierungspotenzialen in der weiteren Entwicklung des Zivilprozesses. Hintergrund ist, dass viele Rechtsschutzsuchende den Zivilprozess als zu komplex und zeitaufwendig empfinden. Der Abschlussbericht wird bereits zum Jahresende erwartet.
Justizia-Skulptur aus Metall

Bürgerinnen und Bürgern erscheint es vielfach zu umständlich, einen Zivilprozess zu führen. Digitalisierung soll dies ändern.

(Bildquelle: Tingey Injury Law Firm/Unsplash)

Im Bundesministerium der Justiz fand die Auftaktveranstaltung der Bund-Länder-Reformkommission „Zivilprozess der Zukunft“ statt. Die Kommission soll das zivilprozessuale Verfahrensrecht vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung überprüfen und bis Ende 2024 Vorschläge für einen Zivilprozess der Zukunft erarbeiten, berichtet das Bundesministerium der Justiz (BMJ). Die Einsetzung dieser Reformkommission wurde von den Justizministerinnen und -ministern von Bund und Ländern auf dem Dritten Bund-Länder-Digitalgipfel im November 2023 beschlossen.

Die ursprüngliche Initiative zur Einsetzung dieser Reformkommission war von Bayern ausgegangen. „Wir wollen den Zugang zu unseren Gerichten so einfach wie möglich gestalten und effiziente Verfahren bei hoher Qualität für alle Prozessbeteiligten. Dazu müssen die Chancen der Digitalisierung konsequent genutzt werden“, sagte der Bayerische Justizminister Georg Eisenreich anlässlich der Auftaktveranstaltung. Für die Digitalisierung der Justiz sei auch die Modernisierung von Bundesgesetzen notwendig. Der bestehende gesetzliche Rahmen sei noch viel zu oft ein Hemmschuh und muss an vielen Stellen angepasst werden.

Zivilprozess soll zugänglicher und attraktiver werden

Die Modernisierung des Zivilprozesses soll es für Bürgerinnen und Bürger (wieder) attraktiv machen, ihre Streitigkeiten vor deutschen Zivilgerichten auszutragen. Die Eingangszahlen bei den Zivilgerichten sind nach Angaben des BMJ schon seit längerer Zeit rückläufig. Als wesentlicher Grund wird gesehen, dass Rechtsschutzsuchende den Zivilprozess verbreitet als zu komplex und zu zeitaufwendig empfinden. Das bestätigt auch eine Studie des BMJ. Es bestehe also dringender Reformbedarf, so das Ministerium.

Ein wesentlicher Schlüssel dafür, dass die Ziviljustiz sich als zeitgemäßes und attraktives Angebot für die Streitbeilegung präsentieren kann, ist nach Einschätzung des BMJ die konsequente Digitalisierung. In der laufenden Legislaturperiode wurden hier schon Fortschritte erzielt, etwa mit dem Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit. Auch die Länder haben in den vergangenen Jahren wichtige Projekte umgesetzt, etwa beim elektronischen Rechtsverkehr, bei den Videoverhandlungen und auf dem Weg zur umfassenden Einführung der E-Akte.

Digitalisierungspotenziale finden

Die Aufgabenstellung der Reformkommission ist es nun, die Regelungen zum Zivilprozess noch einmal grundlegend und mit breitem Blick auf weiteren Anpassungsbedarf und weiteres Digitalisierungspotenzial zu untersuchen. Die nächsten Arbeitssitzungen sollen im September in Hamburg und im Oktober in München stattfinden. Dabei sollen einzelne Themenkomplexe und Reformansätze vorgestellt und diskutiert werden, insbesondere

  • ein leichterer Zugang von Bürgerinnen und Bürgern zur Justiz, etwa über ein zentrales Justizportal,
  • zeitgemäße digitale Kommunikationswege, etwa über Plattformlösungen,
  • eine bessere Strukturierung des Prozessstoffs und des Verfahrens sowie
  • neue Verfahrensarten wie ein leicht zugängliches Onlineverfahren.

Der Abschlussbericht der Kommission mit Vorschlägen für einen Zivilprozess der Zukunft ist für Ende 2024 vorgesehen.



Stichwörter: E-Justiz, Politik, Zivilprozess


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