BMJReallabor für die Justiz kommt

[19.06.2024] Der Vermittlungsausschuss hat einen Einigungsvorschlag zum Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten verabschiedet. Nun stellt das Bundesjustizministerium den Referentenentwurf vor. Das Gesetz soll die gerichtliche Durchsetzung von Kleinforderungen in bürgerfreundlichen digitalen Verfahren erleichtern.
Bundesjustizminister Marco Buschmann hemdsärmelig im gespräch mit einer Person, die man nur unscharf und von hinten sieht.

„Mit dem Erprobungsgesetz zur Entwicklung eines Online-Verfahrens schaffen wir die Grundlage für neue digitale Kommunikationsformen im Zivilprozess. Das Online-Verfahren verbessert den Zugang zur Justiz“, so Marco Buschmann.

(Bildquelle: BMJ/Dominik Butzmann)

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit veröffentlicht. Dem ging eine Einigung im Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern voraus. Diese legt insbesondere fest, dass in allen betroffenen Gerichtsbarkeiten Videoverhandlungen nur möglich sind, wenn sich die Fälle dafür eignen und ausreichende Kapazitäten zur Verfügung stehen.

Zum ersten Mal soll vom Bund ein Reallabor für die Justiz geschaffen werden. Bürgerinnen und Bürgern soll es ermöglicht werden, Zahlungsansprüche mit geringerem Streitwert in einem nutzerfreundlichen, digital geführten Gerichtsverfahren geltend zu machen. Gleichzeitig kann durch die strukturierte Erfassung des Prozess-Stoffs und den Einsatz digitaler Unterstützungswerkzeuge auch die Arbeit an den Gerichten erleichtert werden. „Die Erprobung soll zunächst an einzelnen Gerichten erfolgen. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir das Verfahren in den nächsten Jahren so weiterentwickeln werden, dass es zum Standard im Zivilprozess wird. Das wäre ein wichtiger Mosaikstein für die Modernisierung der Justiz“, sagt Bundesjustizminister Marco Buschmann. Mit dem Gesetz wird eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt; zudem wird der Digitalstrategie der Bundesregierung Rechnung getragen.

Erprobung über zehn Jahre

Reallabore sind Testräume, um innovative Technologien zeitlich befristet und unter realen Bedingungen zu erproben. Der jetzige Entwurf sieht unter anderem folgende Rahmenbedingungen vor:

  • Rechtsuchende sollen bei der Erstellung einer Klage durch digitale Informationsangebote und Eingabe- und Abfragesysteme unterstützt werden. Dafür soll zunächst weiterhin der elektronische Rechtsverkehr genutzt werden. Mit der bestehenden Infrastruktur zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) wird auch die Anwaltschaft in die Erprobung einbezogen.
  • Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten vor den Amtsgerichten, die auf Zahlung einer Geldsumme (nach der aktuellen Streitwertgrenze bis 5.000 Euro) gerichtet sind, sollen erfasst werden.
  • In so genannten Massenverfahren wie etwa im Bereich der Fluggastrechte sollen digitale Eingabesysteme und technische Standards die Justiz dabei unterstützen, Dokumente und Akten zu strukturieren und ressourcenschonend zu bearbeiten.
  • Erleichterung der Urteilsverkündung und Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen.
  • Bundeseinheitlich soll eine Kommunikationsplattform erprobt werden, die es erlaubt, Anträge und Erklärungen abzugeben; auch die gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten durch Parteien und die Zustellung von Dokumenten soll über die Plattform möglich sein. Damit würde eine neue Form der Justizkommunikation zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten geschaffen.
  • Das Online-Verfahren soll barrierefrei, nutzerfreundlich und bundeseinheitlich über ein Bund-Länder-Justizportal für Online-Dienstleistungen zugänglich sein.

Für das Reallabor zur Erprobung und Evaluierung des Online-Verfahrens wird die Zivilprozessordnung (ZPO) um ein weiteres Buch ergänzt. Damit wird das Prozessrecht generell für eine Erprobungsgesetzgebung geöffnet und kann durch weitere Experimentierklauseln und Reallabore ergänzt werden. Die Erprobung des Online-Verfahrens ist auf einen Zeitraum von zehn Jahren angelegt. Um das Online-Verfahren weiterzuentwickeln, ist nach vier sowie nach acht Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Evaluierung vorgesehen.

Projektpartnerschaft mit den Ländern

Das Gesetzgebungsvorhaben soll durch ein Digitalisierungsprojekt des Bundesministeriums der Justiz begleitet werden. Dabei übernimmt der Bund in Projektpartnerschaft mit interessierten Ländern und Gerichten eine koordinierende Rolle bei der Entwicklung und Erprobung eines zivilgerichtlichen Online-Verfahrens. Derzeit sind acht Länder und elf Pilotgerichte an der Produktentwicklung beteiligt.

Der Entwurf eines Gesetzes zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit wurde nun an die Länder und Verbände versendet und auf der Website des Bundesjustizministeriums veröffentlicht. Die interessierten Kreise haben nun Gelegenheit, bis zum 12. Juli 2024 Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen sollen auf der Internet-Seite des BMJ veröffentlicht werden.





Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: E-Justiz

Bundesministerium der Justiz: Digitale Rechtsantragstelle erhält Preis für gute Verwaltung

[13.11.2024] Das Projekt Digitale Rechtsantragstelle des Bundesministeriums der Justiz wurde jetzt mit dem Preis für gute Verwaltung ausgezeichnet. Diese Initiative erleichtert den Zugang zum Recht, indem sie digitale Unterstützung für Bürgerinnen und Bürger bei der Antragstellung bietet. mehr...

Illustration, die Gericht, Justiz, Rechtssprechung symbolisiert. Gezeigt werden unter anderem eine Waage und mehrere Buchbände.

Brandenburg: Digitale Transformation der Justiz kommt voran

[12.11.2024] Brandenburg hat seit 2019 bedeutende Fortschritte in der Digitalisierung der Justiz erzielt. Die E-Akte ist nahezu flächendeckend eingeführt, Sitzungssäle werden mit moderner Technik ausgestattet und zukunftsweisende Projekte wie KI-Anwendungen und digitale Normverkündung vorangetrieben. mehr...

Illustration: Computerbildschirm, zwei Personen in einer Videokonferenz.

Videokonferencing: Verpflichtungsgesetz wird modernisiert

[11.11.2024] Einen Entwurf zur Modernisierung des Verpflichtungsgesetzes hat das Bundeskabinett beschlossen. Ziel ist, förmliche Verpflichtungen für Verwaltungsbeschäftigte, die keine Amtsträger sind, digital und ohne Präsenztermin zu ermöglichen – zur Straffung und Vereinheitlichung des Verfahrens. mehr...

Die Ministerin der Justiz und für Migration Marion Gentges (links) beim Test der Hard- und Software auf der Landesmesse in Stuttgart.

Baden-Württemberg: Zweite juristische Staatsprüfung wird digital

[08.11.2024] In Baden-Württemberg kann die Zweite juristische Staatsprüfung ab Dezember 2024 auch digital geschrieben werden. Auf der Landesmesse in Stuttgart konnten Interessierte die Hard- und Software der neuen E-Prüfung bereits vorab testen. mehr...

Miniatur-Aktenordner liegen auf einer Laptop-Tastatur.

BMJ: Bessere Übermittlung von E-Akten

[06.11.2024] Einheitliche Übermittlungsstandards sollen die Bearbeitung elektronischer Behördenakten in der Justiz verbessern. Ein Verordnungsentwurf des BMJ legt fest, dass Akten als PDF-Dokumente mit maschinenlesbarem Datensatz übermittelt werden. mehr...

Illustration eines aufgeklappten Laptops, vor dem Display schwebt eine Dokumentenmappe.

Thüringen: Einführung der E-Akte in der Strafjustiz

[01.11.2024] Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen führt als erste in Thüringen die E-Akte in Strafverfahren ein. Diese digitale Neuerung, die in Kooperation mit der Landespolizei Thüringen erfolgt, gilt als entscheidender Schritt zur Modernisierung und Effizienzsteigerung der Strafjustiz im Bundesland. mehr...

Composite: vor einem blauen, dunklen, unscharfen Hintergrund schwebt ein weißes Paragraphenzeichen in einem Kreis, eine Hand mit ausgestrecktem Finger nähert sich diesem Zeichen.

Baden-Württemberg: Elektronischer Rechtsverkehr beim Verfassungsgerichtshof

[31.10.2024] Am 1. November 2024 öffnet der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg den elektronischen Rechtsverkehr. Ab diesem Datum können Schriftsätze und Anlagen sicher digital eingereicht werden, während auch die elektronische Aktenführung eingeführt wird. Anwälte und Behörden sind ab Februar 2025 zur digitalen Einreichung verpflichtet. mehr...

Miniatur-Aktenordner liegen auf einer Laptop-Tastatur.

Hessen: E-Akte bei allen Fachgerichten

[29.10.2024] Hessens Fachgerichte arbeiten ab sofort vollständig mit der elektronischen Akte. Mit dem Abschluss der Umstellung bei den Arbeitsgerichten hat die Fachgerichtsbarkeit das Ziel der digitalen Aktenführung bereits weit vor der gesetzlichen Frist erreicht. mehr...

Symbolbild KI in der Justiz

Sachsen: E-Klausur im ersten juristischen Examen

[22.10.2024] Sachsen modernisiert die juristische Ausbildung: Ab Februar 2025 wird auch die Staatliche Pflichtfachprüfung digital abgelegt. Damit setzt der Freistaat auf ein einheitliches und zeitgemäßes Prüfungsformat für angehende Juristinnen und Juristen, das sich in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung bereits bewährt hat. mehr...

Bayern: E-Akte in Nachlasssachen

[14.10.2024] In Bayern schreitet die Einführung der E-Akte in Nachlasssachen voran: Bis Oktober 2025 sollen alle 73 Amtsgerichte umgestellt sein. Nach erfolgreichen Pilotprojekten in Fürth und Kitzingen wird die elektronische Akte nun an weiteren 35 Gerichten eingesetzt – eine zentrale Maßnahme der digitalen Offensive der Justiz. mehr...

Das Bild zeigt einen Richter bei einer virtuellen Gerichtsverhandlung.

Saarland: Gerichtsverhandlungen per Video

[24.09.2024] In einem Pilotprojekt der saarländischen Justiz werden Prozesse per Videokonferenz geführt. Dadurch sollen Gerichtsverfahren schneller und effizienter werden. mehr...

Niedersachsen: Wege zum digitalen Verwaltungsrecht

[20.09.2024] Das niedersächsische Innenministerium und die TU Braunschweig haben ein Forschungsprojekt zur Digitalisierung der Verwaltung gestartet. Ziel ist es, das Verwaltungsrecht an die Anforderungen der digitalen Zukunft anzupassen. mehr...

Dataport/IBM: KI-Projekt für die Justiz

[19.09.2024] Dataport und IBM entwickeln gemeinsam ein KI-Tool zur automatischen Mitschrift von Gerichtsverhandlungen. Das System erkennt und ordnet verschiedene Sprecher zu und könnte den Justizalltag deutlich effizienter machen. mehr...

Symbolbild KI in der Justiz

Baden-Württemberg: KI für die Sozialgerichtsbarkeit

[17.09.2024] Ein Forschungsprojekt zur Entwicklung eines digitalen Richterassistenten startete jetzt in Baden-Württemberg. Projektbeteiligte sind das Landesministerium für Justiz, die Unternehmen Materna, Infora und Aleph Alpha sowie der GovTech Campus Deutschland. Ziel des Vorhabens ist es, Richterinnen und Richter zu entlasten. mehr...

Porträt Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann in Hemdsärmeln und Schlips

BMJ: Effiziente digitale Gerichtsverfahren

[10.09.2024] Das Bundeskabinett hat dem Entwurf eines Gesetzes zur Entwicklung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit zugestimmt. Damit will der Bund ein Reallabor schaffen, in dem erprobt wird, wie es Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht werden kann, Zahlungsansprüche in einem digital geführten Verfahren geltend zu machen. mehr...