OZGNeuer Ansatz notwendig

[09.01.2023] Zum Jahreswechsel endete die Umsetzungsfrist für das Onlinezugangsgesetz. Statt dieses lediglich anzupassen, schlägt Vitako, die Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister, vor, das OZG durch ein Verwaltungsdigitalisierungsgesetz abzulösen.
Mit Ende der OZG-Umsetzungsfrist gilt es

Mit Ende der OZG-Umsetzungsfrist gilt es, die nächsten Schritte einzuleiten.

(Bildquelle: irissca/stock.adobe.com)

Zahlreiche Umbrüche stel­len die öffentliche Verwaltung vor gewaltige He­rausforderungen: Klimawandel und Energiewende, Corona-Pandemie sowie der umfassende Fachkräftemangel erzeugen einen enormen Druck und erfordern Agilität. Darüber hinaus bedeutet der Krieg Russlands gegen die Ukraine für die EU und Deutschland neben der Verknappung und Teuerung existenzieller Güter einen beispiellosen Bruch mit der etablierten politischen und wirtschaftlichen Ordnung. Hunderttausende ukrainische Flüchtlinge werden von den Verwaltungen in Deutschland registriert und versorgt. Die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas macht zudem deutlich, dass der Staat resilient und möglichst unabhängig von großen Akteuren agieren muss.
Das gilt auch für die digitale Welt. Mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) wurde im Jahr 2017 vom Deutschen Bundestag erstmals eine umfassende Zielvorgabe verabschiedet, die es den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen bis Ende 2022 ermöglichen soll, auch einen digitalen Zugang zu allen Verwaltungsleistungen deutscher Behörden zu erhalten. Das Gesetz sollte die deutsche Ver­waltung modernisieren und digitalisieren. Auch wenn dieses Ziel verfehlt wurde, war die grundsätzliche Zielsetzung richtig: Staat und Verwaltung müssen souverän und resilient aufgebaut werden, auch im Digitalen.

OZG durch zeitgemäßes neues Gesetz ablösen

Im Rahmen des OZG wurden viele wichtige Weichen gestellt, die es jetzt nachzunutzen und weiterzuentwickeln gilt.
Vitako ist als Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister nicht nur eine Austauschplattform für Themen rund um die öffentliche IT, sondern auch Impulsgeber der Verwaltungsdigitalisierung. Die 54 Mitglieder beschäftigen über 20.000 Expertinnen und Experten für Verwaltungsdigitalisierung, IT-Sicherheit und die moderne Verwaltung. Auf Grundlage dieser Expertise berät Vitako Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung zur OZG-Nachfolgegesetzgebung.
In diesem Zusammenhang sieht Vitako es als unzureichend an, das OZG lediglich weiterzuentwickeln und anzupassen. Denn dieses konzentriert sich nur auf den Online-Zugang zu Verwaltungsleistungen und nicht auf deren eigentliche Bearbeitung. So wird häufig unter einer OZG-Leistung ein Online-Formular verstanden, das im Anschluss im E-Mail-Postfach des Sachbearbeiters als PDF-Datei endet. Das führt zwar zu einer für die Nutzer scheinbar digitalen Verwaltung, die in der Sachbearbeitung aber weiterhin mit Papierausdrucken arbeitet. Darüber hinaus ist die Vorgabe, ausnahmslos alle Verwaltungsleistungen auf einmal zu digitalisieren, mehr als fragwürdig. So ist die Frage berechtigt, warum in Zeiten des Fachkräftemangels Ressourcen für die Digitalisierung des Antrags zur Ausfuhr von Kulturgütern bereitgestellt werden müssen, während man in vielen Behörden noch nicht einmal seinen Strafzettel online bezahlen kann. Hier ist ein neuer Ansatz nötig.
Vitako schlägt daher vor, das Onlinezugangsgesetz und Vorschriften der analogen Verwaltung wie das Verwaltungsverfahrensgesetz durch ein neues, dem digitalen Zeitalter angemessenes Verwaltungsdigitalisierungsgesetz abzulösen. Dabei wird nicht nur auf den reinen analogen oder digitalen Online-Zugang zu Verwaltungsleistungen abgestellt, sondern es werden auch die Fachverfahren zur Bearbeitung der Anträge betrachtet. Es braucht medien- und systembruchfreie digitale Ende-zu-Ende Prozesse. Die Schriftform wird per Generalklausel abgeschafft. Durch die Umkehrung der Beweislast wird sichergestellt, dass Schriftform, händische Unterschriften und persönliches Erscheinen beim Amt künftig nur noch in begründeten Einzelfällen verpflichtend sind. Somit werden unabhängig von konkreten Digitalisierungsprojekten aufseiten der Bürger, der Unternehmen und der Verwaltung viele Stunden Zeit gespart.

Fokus auf nutzbringende Services legen

Der Fokus muss auf diejenigen Verwaltungsleistungen gelegt werden, die einen tatsächlichen Nutzen für Bürger, Unternehmen und Verwaltung bringen. Der Lösungsvorschlag von Vitako lautet, gemeinsam mit allen Akteuren immer die Top 10 der noch nicht Ende-zu-Ende-digitalisierten Verwaltungsleistungen zu digitalisieren. Hier ist ein besonderer Fokus auf die Kommunen zu legen, da sie mit Leistungen wie der An-, Um- und Abmeldung von Gewerben oder dem Melde- und Personenstandswesen mit über 80 Prozent den Löwenanteil aller Verwaltungsverfahren in Deutschland erbringen.
Für eine zügige Umsetzung bedarf es jedoch stabiler Rahmenbedingungen. Mit der Nachnutzung der bestehenden Basis- und Infrastrukturkomponenten werden diese sichergestellt. Zugleich wirken sie als Katalysator für eine beschleunigte Verwaltungsdigitalisierung. Die bundesweit verbreiteten und im Betrieb erprobten Basiskomponenten sind eng mit den Online- und Fachverfahren verflochten. Um einen sparsamen Umgang mit Steuergeldern zu erreichen und bei der Digitalisierung dennoch nicht an Geschwindigkeit zu verlieren, müssen bestehende, zentrale Basiskomponenten, etwa für E-Payment, verpflichtend durch alle Verwaltungen aller föderalen Ebenen nachgenutzt werden.
Diese Planung ist in einem neuem Masterplan „Digitale Verwaltung Deutschland“ niederzuschreiben, der auch über Legislaturperioden von Bundes- und Landespolitik hinweg Bestand haben muss. Um die Ziele eines solchen Programms effektiv kontrollieren zu können, bedarf es eines systematischen und transparenten Kennzahlensystems.

Erfolgsoriente Finanzierung der Kommunen

Vitako ist dabei bewusst, dass Digitalisierung Geld kostet, vielen Kommunen aber nur unzureichende oder gar keine Mittel zur Verfügung stehen, um sie voranzutreiben. Die Bundes-Ar­beits­gemeinschaft hat daher ein erfolgsorientiertes Finanzierungsmodell vorgeschlagen, das sich am tatsächlichen Digitalisierungsgrad einer Kommune orientiert. Bund und Länder leisten dazu einen Zuschuss. Neben dem Digitalisierungsgrad bildet die Einwohnerzahl einen wesentlichen Baustein. Die Finanzierung setzt sich aus einem Grundbetrag von fünf Euro je Einwohner im Jahr und einem variablen Anteil in Höhe von maximal weiteren zehn Euro je Einwohner und Jahr entsprechend der Anzahl digital umgesetzter Verwaltungsvorgänge zusammen. Dass diese Investitionen auch wirken, hat die Vitako-Impact-Studie 2022 gezeigt. Jeder in Verwaltungsdigitalisierung investierte Euro bringt demnach 3,29 Euro an Einsparungen bei Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen und Verwaltung.
Mit dem Onlinezugangsgesetz wurden viele Weichen gestellt, der Bedarf an einer zunehmenden Verwaltungsdigitalisierung wurde erkannt und Strukturen für eine föderale Zusammenarbeit wurden geschaffen. Nun gilt es, auf diesen Ergebnissen aufzubauen und den nächsten Schritt zu gehen, anstatt die bestehende Gesetzgebung lediglich zu korrigieren. Denn auch wenn die OZG-Umsetzungsfrist am 31.12.2022 um 23:59 Uhr endete, ist das nur das Ende vom Anfang der digitalen Verwaltung in Deutschland.

Dr. Ralf Resch ist Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister, Vitako.


Stichwörter: Politik, OZG, Vitako


Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik
Porträtfoto Dörte Schall

Rheinland-Pfalz: Neue Digitalministerin ernannt

[03.07.2024] Neue Ministerin für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung in Rheinland-Pfalz wird Dörte Schall. Der bisherige CIO/CDO der Landesregierung, Fedor Ruhose, soll Chef der Staatskanzlei werden. mehr...

Thüringer Landes-CIO Hartmut Schubert im dunklen Anzug am Rednerpult, im Hintergrund eine blaue Wand.

Thüringen: Zehn Millionen Euro für kommunale Digitalisierung

[02.07.2024] Das Land Thüringen will die kommunale Digitalisierung mit zehn Millionen Euro fördern. Das geht aus der neuen Thüringer E-Government-Richtlinie hervor, die jetzt offiziell veröffentlicht wurde. Gefördert werden unter anderem digitale Fachverfahren und Schnittstellen, IT-Sicherheits-Maßnahmen und die interne Prozessoptimierung. mehr...

Cover des Jahresberichts 2023 des Sächsischen NKR.

Bürokratieabbau: Jahresbericht des Sächsischen Normenkontrollrats

[01.07.2024] Mit der Erfüllungsaufwandsdarstellung neuer Regelungen soll der Sächsische Normenkontrollrat zu mehr Transparenz beitragen und Erkenntnisse zum Bürokratieabbau in Sachsen wie auch im bundesweiten Vergleich liefern. Nun liegt der Jahresbericht für 2023 vor. mehr...

Ministerien und Ämter des Freistaats Bayern können künftig Anwendungen aus der  Kubernetes-Cloud nutzen.
bericht

Cloud-Strategie: Bundeskanzleramt verwirft Deutsche Verwaltungscloud

[27.06.2024] Mit einem ungewöhnlichen Schritt brüskiert das Kanzleramt alle Initiativen rund um die Deutsche Verwaltungscloud und drängt die Bundesländer zu einem Vertragsabschluss mit Delos, einer in Deutschland betriebenen Variante der Microsoft Azure Cloud. mehr...

Gruppenfoto: Teilnehmende der IT-Planungsrats-Klausurtagung auf der Außentreppe eines Gebäudes.

IT-Planungsrat: Weichenstellung für modernen Föderalismus

[20.06.2024] Als zentrales Steuerungsgremium für die Digitalisierung der Verwaltung gestaltet der IT-Planungsrat den organisatorischen, rechtlichen und finanziellen Rahmen der Verwaltungsdigitalisierung. In seiner letzten Sitzung traf das Gremium weitreichende Beschlüsse, die bei der Umsetzung zu mehr Tempo und Effizienz führen sollen. mehr...

In blaues Licht getauchte Bühne mit rund 20 leger gekleideten Personen, die Urkunden präsentieren.

Schleswig-Holstein: Innovative Open-Source-Lösungen für die Verwaltung

[20.06.2024] Die Landesregierung Schleswig-Holstein will digitale quelloffene Lösungen für Arbeits- und Verwaltungsprozesse fördern. Nun wurden auf dem Waterkant Festival Kiel fünf Open-Source-Projektideen ausgezeichnet, die noch in diesem Jahr in die Umsetzung starten sollen. mehr...

Weiße Puzzleteile auf weißem Hintergrund.

Registermodernisierung: Was bedeutet der Verzicht auf etablierte Standards?

[19.06.2024] Der Bund hat entschieden, bei der Registermodernisierungskomponente NOOTS nicht auf den etablierten Protokollstandard OSCI zu setzen – stattdessen soll etwas völlig neues entwickelt werden. Der Databund sieht darin eine Fehlentscheidung, die hohe Millionenbeträge verschlingt und die Verwaltungsmodernisierung um Jahre zurückwirft. mehr...

Symbolbild: ein unsortierter Haufen weißer Paragrafenzeichen, dazwischen ein hellblaues.

Rheinland-Pfalz: IT-Staatsvertrag wird ratifiziert

[18.06.2024] Um die Verwaltungsdigitalisierung besser unterstützen zu können, soll der Zweite IT-Änderungsstaatsvertrag die IT-Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern weiter stärken. Insbesondere die Rolle der FITKO als zentrale Umsetzungseinheit soll weiterentwickelt und gestärkt werden. Nun hat Rheinland-Pfalz den Weg zur Ratifizierung frei gemacht. mehr...

Das Bild zeigt Thomas Popp, CIO des Freistaats Sachsen.

Sachsen: NIS2-Richtlinie umgesetzt

[17.06.2024] Der Sächsische Landtag hat ein neues Gesetz verabschiedet, das die Anforderungen der europäischen Cyber-Sicherheitsrichtlinie NIS2 umsetzt. Behörden müssen nun erweiterte Maßnahmen zur Informationssicherheit einhalten und einen umfassenden Schutz gewährleisten. mehr...

Das Bild zeigt Kristina Sinemus, Ministerin für Digitalisierung und Innovation in Hessen.

OZG 2.0: Hessen begrüßt Einigung

[17.06.2024] Die hessische Digitalministerin Kristina Sinemus begrüßt die Zustimmung des Bundesrats zur Novelle des Onlinezugangsgesetzes. Insbesondere die Weiterentwicklung des Bürgerkontos zur DeutschlandID stößt in Hessen auf Zustimmung. mehr...

Nationaler Normenkontrollrat: Verwaltungsdigitalisierung nicht ausbremsen

[17.06.2024] Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat einen Einigungsvorschlag zum OZG-Änderungsgesetz, dem so genannten OZG 2.0, vorgelegt, das noch im Juli in Kraft treten könnte. Der NKR drängt auf zügige Umsetzung, auch wenn das Gesetz nicht alle strukturellen Baustellen löse. mehr...

Schleswig-Holstein: OZG 2.0 hat an Qualität gewonnen

[13.06.2024] Die Verwaltungsdigitalisierung kann jetzt deutschlandweit weiter Fahrt aufnehmen – so das Fazit des Schleswig-Holsteinischen Digitalisierungsministers Dirk Schrödter zur OZG-Einigung im Vermittlungsausschuss. Der Gesetzentwurf war von Schleswig-Holstein in seiner ersten Fassung abgelehnt worden. mehr...

Blick in einen Sitzungssaal

OZG 2.0: Einigung im Vermittlungsausschuss

[13.06.2024] Nachdem das vom Bundestag verabschiedete OZG-Änderungsgesetz im Bundesrat gescheitert war, hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat angerufen. Gestern hat dieser einen Einigungsvorschlag vorgelegt, dem aber vor Inkrafttreten der Bundestag zustimmen muss. Dies könnte noch in dieser Woche passieren. mehr...

Bayrischer Landtag bei einer Sitzung.

Bayern: Gut ausgestattet

[13.06.2024] Für das Bayerische Staatsministerium für Digitales sieht der nun vom Landtag beschlossene Doppelhaushalt 2024/2025 ein höheres Budget denn je vor. Digitalminister Fabian Mehring sieht darin eine Bestätigung durch Staatsregierung und Parlament. mehr...

Thüringer Landes-CIO Hartmut Schubert im dunklen Anzug am Rednerpult, im Hintergrund eine blaue Wand.

Thüringen: Rückblick und Ausblick

[12.06.2024] Thüringens Landes-CIO Hartmut Schubert informiert über den Stand von E-Government und IT-Sicherheit im Freistaat. Er sieht gute Grundlagen für eine komplett digitalisierte Verwaltung und zeichnet mit der neuen E-Government-Strategie eine optimistische Vision für die Digitalisierung der Thüringer Verwaltung. mehr...