Dresdner ForderungenDas System neu justieren
Schnell, einfach und sicher soll sie sein, die digitale Verwaltung in den Städten. Das wünschen sich die Menschen und das ist der Anspruch der Städte. Sie wollen ihre Verwaltungen weiter modernisieren und haben Erfolge zu verzeichnen. In zahlreichen Digitalisierungsprojekten sind sie Vorreiter und sie haben eine breite Digitalisierungsexpertise. Vielerorts gibt es gute Ideen und Leuchtturmprojekte. Aber einfach ist der Wandel nicht. Der Mangel an Fachkräften, Lieferengpässe bei der Technik und fehlende Breitband-Netze machen nicht nur der Wirtschaft zu schaffen, sondern auch den Kommunen.
Durchdachte digitale Prozesse
Auf dem Weg zur digitalen Verwaltung setzt das Onlinezugangsgesetz (OZG) wichtige Impulse. Es konzentriert sich allerdings allein auf den digitalen Zugang zu Verwaltungsleistungen. Das reicht nicht aus. Eine bürgerfreundliche Digitalisierung der Stadtverwaltung braucht mehr. Es geht nicht allein um eine Eins-zu-eins-Übersetzung analoger Verfahren, sondern um wirklich durchdachte digitale Prozesse, vom Antrag bis zum Bescheid. Einzelne Schritte, wie neue digitale Formulare und Online-Anträge, allein entlasten keine Verwaltung und beschleunigen kein Verfahren. Die digitalen Daten müssen schnell und medienbruchfrei, also ohne aufwendige manuelle Anpassungen, an die Fachverfahren angebunden werden. Sonst wird Potenzial verschenkt.
Die Städte wollen zeitgemäße Online-Services für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen schnell und unkompliziert anbieten und dabei wirtschaftlich, krisenfest und modern arbeiten. Damit der digitale Wandel gelingt, müssen alle, vom Bund bis zu den Kommunen, an einem Strang ziehen: die Politik, die Wirtschaft, die Wissenschaft sowie die Bürgerinnen und Bürger. Dafür muss der Blick neu ausgerichtet werden – deutlich über das OZG hinaus.
Hier setzen die so genannten „Dresdner Forderungen“ an. In ihnen haben Anfang 2021 Vertreterinnen und Vertreter der Städte Essen, Köln, Leipzig, München und Freiburg ihre Ansätze für eine moderne, digitale Verwaltung zusammengetragen. Sie wurden seither bundesweit von vielen Städten, Kreisen und Gemeinden sehr positiv aufgegriffen und von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft intensiv diskutiert.
Aufgaben besser aufteilen
Denn klar ist: Wir brauchen mehr Tempo. Bis zum 31. Dezember 2022 soll aus der Theorie des OZG digitale Praxis werden. Dann sollen die Bürger die Möglichkeit haben, knapp 600 im OZG gefasste Verwaltungsleistungen digital zu nutzen. Viele dieser Online-Services gibt es bisher noch gar nicht. Bei der Umsetzung des OZG sind die Länder für unterschiedliche Bereiche verantwortlich – und sie lassen die Kommunen oft warten. Noch ist beispielsweise offen, wann die Online-Services für Leistungen wie den digitalen Wohngeld- oder Einbürgerungsantrag fertig entwickelt und nutzbar sind. Das führt zu Planungsunsicherheiten, die nicht gut sind, und erhöht den Druck auf die Städte.
Diese arbeiten selbst auf Hochtouren daran, IT-Prozesse für die Digitalisierung ihrer lokalen Verwaltungsangebote wie etwa Baugenehmigungen startklar zu machen. Der Aufwand ist riesig. Zusätzlich tragen die Städte die Verantwortung für zentrale Bundes- oder Landesaufgaben wie das Pass- und Ausweiswesen, Führerscheinangelegenheiten, Elterngeld, Wohngeld oder Führungszeugnisse. Auch hierfür gibt es keine einheitlichen digitalen Lösungen und jede Stadt muss individuell einen großen Aufwand betreiben. Das ist ärgerlich. Denn diese Aufgaben haben keinen oder nur einen geringen kommunalen Bezug, da können die Städte wenig gestalten. Ihre Stärke liegt darin, lokale Veränderungen anzustoßen. Sie wollen dort anpacken und Entwicklungen auf den Weg bringen, wo das Miteinander direkt betroffen ist – im sozialen Bereich, der Kultur, dem Sport, bei Bildung und Umwelt. Die kommunalen Kernaufgaben liegen in der (digitalen) Daseinsvorsorge, nicht darin, Aufgaben von Bund und Ländern zu digitalisieren. Damit die Städte sich noch besser auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können, sind neue Wege der Zusammenarbeit und der besseren Aufgabenteilung zwischen Kommunen, Ländern und Bund nötig.
Zentrale Lösungen für zentrale Verfahren
Dieses Netz wird man entwirren können. Für zentrale Verwaltungsverfahren ohne kommunale Handlungsspielräume kann es auch zentrale IT-Lösungen geben, man denke etwa an den Antrag für einen Personalausweis. Dafür reicht ein zentraler Online-Service absolut aus, der überall in Deutschland genutzt werden kann. Wenn IT-Prozesse für Aufgaben des Bundes und der Länder von allen Kommunen genutzt werden können, muss sich nicht wie heute jede Kommune um individuelle IT-Lösungen kümmern. Das spart Zeit und Kraft, die für die drängenden Aufgaben vor Ort gebraucht wird.
Diskutiert werden sollte auch darüber, ob zentrale Aufgaben ohne kommunale Gestaltungsspielräume nicht grundsätzlich in die Hände von Bund und Ländern gegeben werden können. Sie wurden den Kommunen ursprünglich zugewiesen, um eine stärkere Bürgernähe zu garantieren. Werden Verwaltungsleistungen künftig aber rein digital erbracht, steht der Gedanke der Ortsnähe nicht mehr an erster Stelle. Verwaltungsangebote ohne kommunalen Bezug und ohne kommunale Handlungsspielräume könnten dann auch unmittelbar von Bund oder Ländern angeboten werden.
Langweilig wird es in keinem Fall. Die Städte tragen Verantwortung für immer mehr Zukunftsthemen: Sie sollen smarter werden, sich mit Rücksicht auf das Klima zukunftsfest machen und neue Wege der Mobilität ermöglichen. Obwohl die Aufgaben also stetig mehr werden, fehlt immer häufiger das Personal, um diese anzugehen. Deshalb werben viele Städte sehr klug um die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch um Fachkräfte, die den digitalen Wandel kompetent begleiten können. Beim Gehalt solcher IT-Spezialisten können sie zwar nicht immer mithalten, soziale Faktoren wie Familienfreundlichkeit, Arbeitszeiten oder Sicherheit des Arbeitsplatzes können aber viele Menschen überzeugen. Und: Die Städte bilden selber aus und bieten in Kooperationen auch Plätze in dualen Studiengängen an.
Vision weiter schärfen
Der Austausch zu den Ansätzen der „Dresdner Forderungen“ hält an. Begleitet vom Deutschen Städtetag sowie der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) entwickeln die Städte die „Dresdner Forderungen“ stetig weiter. Denn es sind längst nicht alle Hindernisse beseitigt. Die Kommunen müssen die Zusammenarbeit zwischen und mit ihren IT-Dienstleistern reibungslos organisieren. Die Mitarbeitenden vor Ort müssen fit gemacht werden, damit sie die digitalen Anwendungen effektiv und souverän nutzen können.
Zusätzlich ist die Vision der Verwaltung im digitalen Zeitalter weiter zu schärfen. Und es ist ein offener Dialog darüber nötig, wie sich die Aufgaben der digitalen Verwaltung klug und für die Bürgerinnen und Bürger sinnvoll verteilen lassen und das föderale System neu justieren lässt. Die Ampelkoalition hat das in ihrem Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt, die Hoffnungen sind also groß. Denn in der Digitalisierung der Verwaltung stecken viele Chancen für die Städte. Diese wollen wir nutzen.
https://www.kgst.de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Juli 2022 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
Berlin: Eckpunkte für Digitalcheck
[21.11.2024] Die Eckpunkte für die Einführung eines Digitalchecks hat der Berliner Senat beschlossen. Der Geschäftsbereich der Chief Digital Officer soll jetzt ein Konzept inklusive eines vorgeschalteten Pilotvorhabens erarbeiten. mehr...
IT-Planungsrat: Der OZG-Rahmenarchitektur einen Schritt näher
[20.11.2024] In seiner Herbstsitzung hat der IT-Planungsrat das in einem breit angelegten und von einem Konsultationsprozess begleitete Vorhaben iterativ erarbeitete Zielbild der OZG-Rahmenarchitektur beschlossen. mehr...
IT-Planungsrat: Erster Teil der föderalen Digitalstrategie beschlossen
[18.11.2024] Der IT-Planungsrat hat auf seiner 45. Sitzung unter Leitung von Bundes-CIO Markus Richter die Dachstrategie der Föderalen Digitalstrategie für die Verwaltung verabschiedet. Zudem wurde ein Vertragsentwurf für das Nationale Once-Only-Technical-System (NOOTS) beschlossen. mehr...
Bitkom: Forderung nach Umsetzung von Digitalprojekten
[15.11.2024] Der Digitalverband Bitkom hat jetzt die Bundesregierung aufgefordert, vor den Neuwahlen im Februar möglichst viele digitalpolitische Projekte abzuschließen. Bisher sind lediglich 32 Prozent der geplanten Vorhaben realisiert. mehr...
Baden-Württemberg: Änderung der Gemeindeordnung verabschiedet
[08.11.2024] Der Landtag von Baden-Württemberg hat jetzt eine Änderung der Gemeindeordnung verabschiedet, die Kommunen in administrativen Abläufen entlasten und die finanzielle Berichterstattung vereinfachen soll. mehr...
Cybersicherheit: Stellungnahmen zum NIS2-Umsetzungsgesetz
[07.11.2024] Der Bundestagsausschuss für Inneres und Heimat hat sich mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der NIS2-Richtlinie befasst. Vielen Experten geht der Entwurf nicht weit genug. mehr...
Saarland: Mehr Input zur Digitalpolitik
[05.11.2024] Das Saarland tritt dem GovTech Campus Deutschland bei, um die Digitalisierung der Verwaltung voranzutreiben. Durch die Mitgliedschaft will das Land von dem Innovationsnetzwerk profitieren und aktiv an Digitalpolitik und gemeinsamen Projekten mitwirken. mehr...
Normenkontrollräte: Ambitioniert zum Bürokratieabbau
[05.11.2024] Im Rahmen eines Treffens in Stuttgart haben Normenkontrollräte und Clearingstellen eine Erklärung verabschiedet, die eine Reduzierung der Bürokratiekosten um 25 Prozent innerhalb von vier Jahren anstrebt. mehr...
Databund: Datenschutzrisiken im MDWG
[05.11.2024] Der Databund hat zu zwei Gesetzesentwürfen des Bundes Stellung genommen, welche die kommunale Verwaltung betreffen. Im MDWG-Entwurf sieht er Verbesserungen für die Migrationsverwaltung, mahnt jedoch Datenschutzrisiken an. Beim eIDAS-Gesetz begrüßt der Verband die Stärkung der Bundesnetzagentur. mehr...
Niedersachsen: NIS2-Richtlinie umgesetzt
[04.11.2024] Niedersachsen setzt als eines der ersten Bundesländer die NIS2-Richtlinie der EU zur Cybersicherheit in der Verwaltung um. Die neue Verwaltungsvorschrift, die Benennung einer zuständigen Behörde für Cybersicherheit und die Einrichtung eines Notfallteams sollen die IT-Sicherheit in besonders kritischen Bereichen stärken. mehr...
Niedersachsen: Beteiligung am ZenDiS
[04.11.2024] Niedersachsen will sich am Zentrum für Digitale Souveränität (ZenDiS) beteiligen, um die Abhängigkeit der Landesverwaltung von marktbestimmenden Softwareherstellern zu reduzieren. Das Land könnte so auch von überregionalen Erfahrungen und Projekten profitieren. Dies steht im Einklang mit der Digitalstrategie des Landes. mehr...
BMDV/BREKO: Digital only braucht Glasfaser
[24.10.2024] Die Bundesregierung berichtet über Fortschritte ihrer Digitalstrategie. Der Glasfaserverband BREKO warnt trotz erreichter Erfolge bei 5G und Glasfaser vor Verzögerungen beim Ausbau. Ohne klare politische Weichenstellungen, insbesondere zur Abschaltung des Kupfernetzes, könnte das Ziel einer flächendeckenden Glasfaserversorgung bis 2030 verfehlt werden. mehr...
Digital-Gipfel 2024: Fokus auf KI und digitaler Souveränität
[23.10.2024] Im Fokus des Digital-Gipfels der Bundesregierung standen die Stärkung der digitalen Souveränität und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Die Bundesregierung betonte die Bedeutung einer intensiven Datennutzung und der KI-Förderung, um Deutschland im internationalen Wettbewerb zu stärken. mehr...
Digitalisierung: Dresdner Forderungen 2.0
[22.10.2024] Die Fachgruppe Verwaltungsinformatik der Gesellschaft für Informatik hat 20 Thesen zum digitalen Wandel formuliert. Die Forderungen zielen darauf ab, die Verwaltung effizienter, zukunftssicherer und bürgerfreundlicher zu machen. mehr...
Digitalministerkonferenz: Erfolgreiches zweites Treffen
[21.10.2024] Die Digitalisierung in Deutschland zügiger vorantreiben und digitale Transformation zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger gestalten: Mit dieser Zielstellung haben sich die Digitalverantwortlichen der Länder zur zweiten Digitalministerkonferenz in Berlin getroffen. Wichtige Themen waren Datenschutz und Datennutzung, die Verwaltungscloud-Strategie und die Nutzung von KI. mehr...