InterviewDigitale Leitplanken
Herr Kremer, zum 1. Mai 2021 ist das föderale IT-Architekturboard zur FITKO übergegangen. Es ist als neues Steuerungsgremium des IT-Planungsrats errichtet worden. Was sind die Aufgaben des Boards?
Zunächst: Das Architekturboard hat bereits Ende Februar seine Arbeit aufgenommen. Es leistet begleitende und beratende Unterstützung bei der Verwaltungsdigitalisierung und hat Entscheidungsfunktionen hinsichtlich von Richtlinien. Es geht vor allem darum, strategische und langfristige Architekturrichtlinien zu bestimmen, mit denen bestimmte Leitplanken für die Verwaltungsdigitalisierung eingeschlagen werden. Das können Datenaustauschformate und Standards sein. Ausgehend von diesen Architekturrichtlinien legen wir auch spezialisierte Vorgaben für bestimmte Domänen fest. Wenn neue Infrastrukturelemente gebaut oder neue Standards verabschiedet werden, können wir so sichergehen, dass diese grundsätzlich die Architekturrichtlinien erfüllen. Darüber hinaus ist es Aufgabe des Boards, sich neue Vorhaben anzuschauen und zu beurteilen, ob sie in die Architektur passen. Das Board begleitet auch aktiv Projekte und beobachtet, ob alles richtig läuft oder unter Umständen noch etwas angeglichen werden muss. Außerdem beraten wir den IT-Planungsrat und die Abteilungsleiterrunde darüber, was sie sich in den nächsten Jahren an Themen vornehmen sollten.
Wer sitzt in dem elfköpfigen Gremium?
Im Gremium sitzen Vertreter des Bundesinnenministeriums, der FITKO sowie Vertreter mehrerer Bundesländer. Unter uns ist sogar ein CIO, ansonsten haben wir von Anfang an darauf gedrängt, dass wir Fachexperten und -expertinnen in diesem Gremium haben – eine gute Mischung also aus Management- und Arbeitsebene. Die FITKO führt den Vorsitz, und befristet bis Ende 2022 hat das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat den Co-Vorsitz inne.
Was machte die Gründung dieses neuen Gremiums notwendig?
Im Zuge der Corona-Krise haben wir festgestellt, dass es eigentlich eine föderale Architektur noch gar nicht gibt. Das Thema hat in den vergangenen Jahren keine besondere Aufmerksamkeit erfahren, und nun fällt uns das auf die Füße. Wir mussten feststellen, wie schwierig es ist, Daten zwischen den Ländern und auch zwischen Bund und Ländern auszutauschen. Ein Architektur-Management soll uns dabei helfen, genau diese Infrastrukturen so aufzustellen, dass wir schneller auf Veränderungen reagieren und Neuerungen besser managen und steuern können.
„Es geht vor allem darum, strategische und langfristige Architekturrichtlinien zu bestimmen.“
Was funktioniert denn aus Ihrer Sicht momentan nicht gut?
Wir haben auf allen föderalen Ebenen eine große Inhomogenität. Grundsätzlich verfügen die Länder intern zwar über eine gute Infrastruktur. Handlungsbedarf gibt es allerdings beim Datenaustausch über Landesgrenzen und auch über Bundesgrenzen hinaus. Damit Daten von Hamburg nach Berlin laufen können, muss es eine entsprechend gute Infrastruktur und einheitliche Standards geben. Vereinzelt sind diese Infrastrukturen vorhanden, aber nicht in allen Fachdomänen. Gerade bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) zeigen sich Lücken, wie etwa das Routing von Antragsdaten an zuständige Behörden.
Auf Ihrer Agenda steht das Stichwort Komplexitätsreduktion. Was ist darunter zu verstehen?
Eine Komplexitätsreduktion erreicht man schon dadurch, dass anhand der Architektur klar wird, wer in Bezug auf den föderalen Datenaustausch konkret welche Aufgabe hat. Welche Aufgaben liegen beim Bund, welche beim Land und wo sind die Netzübergabepunkte, sodass sich eine Kommune nicht mehr damit befassen muss? Das betrifft beispielsweise die Einer-für-Alle-Dienste. Worum sich Kommunen allerdings weiter kümmern müssen, ist, wie sie ihre Fachverfahren an einen EfA-Dienst anschließen. Das alles lässt sich mithilfe einer Architektur darstellen, aus der sich Aufgaben ableiten. Und es hilft, auf kommunaler Ebene die Komplexität zu reduzieren und die Konzentration auf die wesentlichen Aufgaben zu richten.
Bei der strategischen Ausrichtung ist immer von Ist- und Soll-Architektur die Rede. Wie weit liegen die auseinander?
Das kommt auf die Betrachtungsweise an. Wir haben eine Infrastruktur, die funktioniert. Im Bereich der Standardisierung gibt es sicherlich Aufgaben, die gelöst werden müssen. Wenn man allerdings strategische Vorgaben wie eine Digitale Souveränität betrachtet und sich aus dieser Perspektive die Architektur anschaut, dann gibt es schon noch einige Aspekte, an denen gearbeitet werden muss. Das betrifft etwa die Themen Cloud Computing und Open Source, die sich in der Ist-Architektur nicht in ausreichendem Maß wiederfinden und Teil der Soll-Architektur wären.
Woran arbeiten Sie derzeit konkret?
Wir arbeiten im Board derzeit unter anderem an den Architekturrichtlinien. Die strategischen Architekturrichtlinien befinden sich im finalen Review und werden vermutlich bis Mitte Juni veröffentlicht. Darüber hinaus beschäftigt sich ein Team mit der Parametrisierung von EfA-Diensten. Dabei geht es um die Fragen, wie bestimmte Besonderheiten in Ländern abgebildet werden können.
Was ist darunter zu verstehen?
Es kann sein, dass bei einem EfA-Dienst, der für ganz Deutschland ein Antragsverfahren abbildet, in den Ländern unterschiedliche Daten abgefragt werden. Ein Beispiel: Im Meldewesen hat Hamburg ein zusätzliches Datenfeld, dort muss nämlich der Beruf angegeben werden. Alle anderen Bundesländer verlangen das nicht. Wenn man nun einen Dienst in ganz Deutschland hat, über den man sich an- oder ummelden kann, dann muss das System für Hamburg wissen, dass dort ein zusätzliches Datenfeld angeboten werden muss. Ein weiteres Beispiel für Parametrisierung ist die Bezahlung.
Welche Bezahldienste werden wo verwendet und müssen aufgerufen werden, wenn man sich etwa in München anmelden möchte?
Der Normenkontrollrat (NKR) hat im aktuellen Monitor Digitale Verwaltung eine systematische Bündelung von Plattformansätzen und eine Gesamtarchitektur angeregt.
Man muss sich eingestehen, dass wir im Moment keine Gesamtarchitektur verfügbar haben, der Weg dorthin ist aber nicht allzu weit. Wenn man die Ziele konsequent umsetzt, wäre der Plattformansatz durchaus in fünf Jahren erreichbar. Sicher nicht abschließend, aber gute Grundlagen wären geschaffen.
Der NKR spricht sich auch für eine Digitalisierungsagentur mit mehreren hundert Mitarbeitern aus. Ist die FITKO stark genug aufgestellt?
Grundsätzlich begrüße ich den Ansatz des Normenkontrollrats, ob es allerdings ein paar hundert Mitarbeiter sein müssen, darüber lässt sich streiten. Im Bereich Architektur-Management haben wir bei der FITKO augenblicklich zwei Personen. Fakt ist also, dass wir, gemessen an den Aufgaben, tatsächlich unterbesetzt sind.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Juli 2021 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
S-Management Services: Neuer Service zur Aktualisierung von XÖV-Standards
[08.11.2024] S-Management Services bietet jetzt einen neuen Service, der es öffentlichen Verwaltungen erleichtern soll, stets aktuelle Versionen der XÖV-Standards einzusetzen. mehr...
Thüringen: NOOTS in Bundesverantwortung
[07.11.2024] Der Freistaat Thüringen unterstützt den Vorschlag von Bremen und Sachsen-Anhalt, dass die Bundesländer dem Bund die Verantwortung über eine wichtige föderale IT-Plattform überlassen. mehr...
OSBA: Sovereign Cloud Stack bleibt
[30.10.2024] Die Plattform Sovereign Cloud Stack wird nur noch bis Jahresende vom Bundeswirtschaftsministerium finanziert. Ein neu gegründeter Zusammenschluss von Open-Source-Unternehmen innerhalb der Open Source Business Alliance wird auch in Zukunft zentrale Ergebnisse absichern und die Weiterentwicklung der Standards gewährleisten. mehr...
MACH: Bundestemplate vor der Einführung
[25.10.2024] Bundesbehörden können mit dem neuen Bundestemplate MACH alle haushaltsrelevanten Vorgänge standardisiert und digitalisiert ausführen. Als erstes testet das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe ab 2025 die neue Lösung. mehr...
Disy/Ionos: Datensouveräne Umgebung
[04.10.2024] Das Karlsruher Unternehmen Disy Informationssysteme und der Cloudanbieter Ionos haben eine Kooperation gestartet, um innovative und datenschutzkonforme Software-as-a-Service-Lösungen anzubieten. mehr...
init / Ionos: Gebündelte Kräfte für Verwaltungscloud
[24.09.2024] Um digitale Cloudlösungen im öffentlichen Sektor voranzutreiben, haben die Unternehmen init und Ionos eine Kooperation vereinbart. Ziel ist es, sichere und skalierbare Plattformen anzubieten, die speziell auf die Anforderungen der Verwaltung zugeschnitten sind. mehr...
Delos Cloud: Erste Dienste für 2025 geplant
[23.09.2024] Die Delos Cloud für die öffentliche Verwaltung soll im kommenden Jahr an den Start gehen. Die Partner Delos Cloud, Microsoft und Arvato Systems haben jetzt Verträge unterzeichnet, die den Betrieb und die Zusammenarbeit sicherstellen. mehr...
SAP: Milliarden für sichere Cloudlösungen
[20.09.2024] In den kommenden zehn Jahren will SAP mehr als zwei Milliarden Euro in die Entwicklung hochsicherer Cloudlösungen für den öffentlichen Sektor und stark regulierte Branchen investieren. mehr...
Bayern: Neuer ELSTER-Standort
[05.09.2024] Mit rund 22 Millionen aktiven Benutzerkonten gilt ELSTER als eines der erfolgreichsten E-Government-Verfahren Deutschlands. Östlich von München wurde nun ein neuer Rechenzentrumsstandort eingeweiht, der zur Ausfallsicherheit beitragen soll. mehr...
Bayern/Sachsen: Zukunftsweisende KI-Forschung
[08.08.2024] Energieeffiziente Hardware und entsprechende Softwarekomponenten für KI-Anwendungen will eine länderübergreifende Hochschulkooperation im Forschungsprojekt GAIn (Next Generation Al Computing) entwickeln. Die Freistaaten Bayern und Sachsen bezuschussen das Projekt mit insgesamt sechs Millionen Euro. mehr...
Niedersachsen: Stabssoftware CommandX wird erprobt
[30.07.2024] Das Land Niedersachsen pilotiert in Kreis Uelzen die Stabssoftware CommandX. Diese soll im Katastrophenfall die Kommunikation aller Stäbe und Stellen vereinfachen und beschleunigen. Bis zum Jahresende soll die Lösung an zahlreichen Stellen in ganz Niedersachsen ausgerollt sein. mehr...
Bechtle: Großauftrag für Apple-Geräte
[29.07.2024] Der IT-Dienstleister Bechtle liefert 300.000 Apple-Geräte im Wert von bis zu 770 Millionen Euro an Bundesbehörden. Bei der Abwicklung des Auftrags wird Bechtle von Materna unterstützt. mehr...
Registermodernisierung: Once-Only für Geburtsnachweis erprobt
[18.07.2024] In Brüssel fand zum vierten Mal der Projectathon statt. Das Event bringt die EU-Mitgliedstaaten zusammen, um deren Beiträge zur Once-Only- und zur Single-Digital-Gateway-Umsetzung interoperabel zu testen. Der deutschen Delegation gelang der grenzüberschreitende Nachweisaustausch im Bereich Personenstand zur Umsetzung des Once-Only-Prinzips. mehr...
Thüringen: Souveräne Cloud
[09.07.2024] Der Freistaat Thüringen setzt auf eine eigene souveräne Verwaltungscloud. Diese wird im landeseigenen Rechenzentrum aufgebaut und betrieben. mehr...
Cloud-Strategie: Bundeskanzleramt verwirft Deutsche Verwaltungscloud
[27.06.2024] Mit einem ungewöhnlichen Schritt brüskiert das Kanzleramt alle Initiativen rund um die Deutsche Verwaltungscloud und drängt die Bundesländer zu einem Vertragsabschluss mit Delos, einer in Deutschland betriebenen Variante der Microsoft Azure Cloud. mehr...