BundesverwaltungsamtThink Big
Herr Verenkotte, das Bundesverwaltungsamt (BVA) feiert in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag (wir berichteten). Können Sie einen kurzen Einblick in die Geschichte der Bundesbehörde geben?
Am 14. Januar 1960 wurde das BVA als „selbständige Bundesoberbehörde“ in Köln gegründet – mit 299 Stellen. Zweck der Einrichtung war es, Aufgaben aus dem Bundesinnenministerium zu bündeln und effizienter zu erledigen. Dieses Konzept hat sich über die Jahre sehr dynamisch entwickelt. Heute zählt das BVA 6.000 Beschäftigte an 22 Standorten in ganz Deutschland. Unser Leistungsangebot umfasst mehr als 150 Aufgaben. Wir sind tätig für die Bundesregierung, für Ministerien, Behörden und Vereine sowie für Bürgerinnen und Bürger.
Welches waren die erfolgreichsten Projekte der vergangenen 60 Jahre?
Eine große Aufgabe, die das BVA schon in den 1970er-Jahren übernommen hat, war und ist bis heute die Verwaltung von Ausbildungsdarlehen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Das Bundesverwaltungsamt zieht die BAföG-Darlehen bundesweit im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ein. Mit BAföG-online startete das BVA im Jahr 2000 eines der ersten praktisch nutzbaren Internet-Angebote der Bundesverwaltung. Damit waren wir Vorreiter. Nie zuvor hatte es einen derart lückenlosen elektronischen Ablauf gegeben. Das Spätaussiedleraufnahmeverfahren war ebenfalls eine herausfordernde und prägende Aufgabe für das BVA: Bis zu 397.000 Menschen pro Jahr wurden in den 1980er- und 1990er-Jahren registriert und auf die Bundesländer verteilt. Über die Jahre hat das Bundesverwaltungsamt die Bundesregierung in vielen Politikfeldern zuverlässig unterstützt und wenn nötig auch Soforthilfe geleistet, zum Beispiel nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl oder nach der Flutkatastrophe an Elbe und Donau. Ein weiterer wichtiger Schritt war die Gründung eines Dienstleistungszentrums im Bundesverwaltungsamt. Damit wurde ein behördenübergreifendes Service-Center geschaffen, dem Bundesinstitutionen ihre Querschnittsaufgaben übertragen können, wie zum Beispiel die Berechnung von Bezügen und Beihilfen, das zentrale Travel Management, die Personalgewinnung und das Zeit-Management. Das BVA nimmt sämtlichen Bundesministerien administrative Aufgaben ab. Ohne uns könnte die Bundesregierung gar nicht arbeiten.
„Ohne uns könnte die Bundesregierung gar nicht arbeiten.“
Welches sind heute die Aufgaben der Behörde?
Eine wichtige Aufgabe ist die vielfältige Unterstützung der Sicherheitsbehörden. Das BVA entwickelt und führt zentrale Register sowie auch entsprechend darauf aufsetzende Fachverfahren. Durch die Bereitstellung komplexer, hochverfügbarerer Register helfen wir bei der Vernetzung von Sicherheitsbehörden. Wir betreiben unter anderem das Ausländerzentralregister, das Nationale Waffenregister und sorgen im Auftrag des BKA für die ordnungsgemäße Fluggastdatenspeicherung. Wichtig sind auch Personal- und Verwaltungsdienstleistungen. Wie schon erwähnt, nehmen wir als zentraler Dienstleister des Bundes für mehr als 300 Behörden zahlreiche Querschnittsaufgaben wahr. Mit ihrem Know-how unterstützen unsere Beraterinnen und Berater viele Ministerien und Behörden bei der digitalen Transformation, der Ressourcensteuerung oder dem Veränderungsmanagement – also dabei, ihre Verwaltungen zu modernisieren. In sechs Jahrzehnten hat uns die Politik fortlaufend neue Aufgaben übertragen. Zu diesen zählen heute auch das Auslandsschulwesen, Staatsangehörigkeitsaufgaben sowie das Zuwendungsmanagement des Bundes in der Sport-, Kultur-, Jugend- und Sozialförderung. Seit März 2020 unterstützt das BVA zudem das Robert Koch-Institut in der Corona-Krise. Wir haben die Abwicklung des Auswahl- und Einstellungsverfahrens sowie die Betreuung von 525 so genannten Containment Scouts übernommen, welche jetzt den Gesundheitsämtern bei der telefonischen Befragung von COVID-19-Infizierten und Kontaktpersonen helfen.
Welche Projekte stehen aktuell auf der Agenda?
Die durchgehende Umsetzung der Digitalisierung im Haus ist für uns wichtig. Die Kunden des Bundesverwaltungsamtes erwarten heute eine digitale Erreichbarkeit der Dienstleistungen – und darauf müssen wir uns einstellen. Zunächst müssen die Prozesse analysiert und in vielen Fällen ganz grundlegend neu gestaltet werden. Dabei geht es um das Front End (mobile Erreichbarkeit), aber auch um das leider oft vernachlässigte Back End, also das dahinterliegende Fachverfahren. Unsere Digitalisierungsstrategie ist bei den über 150 Aufgaben des BVA auf eine Vielzahl fachspezifischer und querschnittlicher Maßnahmen ausgerichtet. Aber wir sind auf einem guten Weg und haben zum Beispiel mit der Beihilfe-App (wir berichteten) als eine der ersten Bundesbehörden einen Standard in einer Großanwendung gesetzt. Entscheidend ist außerdem, Verwaltungsprojekte mit einem professionellen Projekt-Management zu steuern. Unser umfassendes Controlling-System gibt uns Zahlen und Daten. Zielvereinbarungen bilden den Rahmen, und zu einer gut aufgestellten Steuerung großer Projekte gehört auch ein fortlaufendes Veränderungsmanagement. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen mitwirken, aber auch mitgenommen werden. In diesem Zusammenhang ist uns die Umstellung auf Arbeit 4.0 wichtig. Eine Behörde ist immer hierarchisch organisiert. Wir müssen aber stärker fachabteilungsübergreifend und über unterschiedliche Ebenen hinweg mit agilen Methoden und ortsunabhängig zusammenarbeiten können. In vielen Bereichen gelingt uns das bereits, andere werden folgen – und wir beraten auch andere Behörden in diesem Sinne.
Sie sind seit 10 Jahren Chef des BVA. Welche waren die größten Herausforderungen, denen sich die öffentliche Hand im vergangenen Jahrzehnt stellen musste und welche werden es in den kommenden Jahren sein?
Die Vielzahl der Veränderungsprozesse in den vergangenen Jahren hat unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon an ihre Grenzen geführt: ständig neue Aufgaben, neue – auch große – Projekte und drei Großveränderungen des Hauses in sehr kurzer Zeit. 2013 haben wir nicht nur den Dienstleistungsbereich der Bundeswehr übernommen, auch über 1.400 Beschäftigte an sieben neuen Standorten wurden Teil des BVA. 2015/2016 haben wir maßgeblich an der IT-Konsolidierung des Bundes mitgewirkt. Die Bundesstelle für Informationstechnologie war nicht nur für den Betrieb des Bundesverwaltungsamtes, sondern auch für viele andere Geschäftsbereichsbehörden zuständig, und diese ganze Mannschaft wurde Teil des neu geschaffenen ITZBund (wir berichteten). Danach wuchs bei uns der Bereich der Software-Entwicklung, aber wenn 400 Beschäftigte gehen, hinterlässt das auch Spuren. Und schließlich haben wir am 1. Juni 2017 erneut Dienstleitungsaufgaben übernommen, dieses Mal vom Bundesfinanzministerium: Über 1.500 Beschäftigte des BADV an neun neuen Standorten wurden Teil des BVA. Das sind schon gewaltige Veränderungsprozesse. Und ich sage selbstbewusst, ich glaube kaum, dass eine andere Behörde das in dieser kurzen Zeit so gut hinbekommen hätte wie das Bundesverwaltungsamt, auch wenn vieles nicht einfach war.
Wie kann Deutschland bei der Verwaltungsmodernisierung im europäischen Vergleich aufholen?
Jedes Industrieunternehmen weiß, dass es investieren muss, um in Zukunft erfolgreich arbeiten zu können. In Deutschland ist man im Bereich der öffentlichen Verwaltung da immer viel zu vorsichtig, um es zurückhaltend zu formulieren. Die Bundesregierung hat circa 500 Millionen Euro in das Projekt Digitalisierung investiert – wohlgemerkt auf vier Jahre gerechnet. Das ist im europäischen Vergleich zu wenig, und deshalb liegen wir so weit zurück. Gut aber ist, dass mit dem Onlinezugangsgesetz nicht nur ein neuer Rahmen gesetzt wurde, sondern auch Schwung in die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern gekommen ist, der sehr viele beflügelt hat. Es gibt eine Vielzahl guter und sehr guter Projekte – auch ebenenübergreifend. Gerade in den Digitalisierungslaboren wird Beachtliches geleistet. Die Umsetzung vom Labor in die Praxis erfordert aber mehr als einen Showroom. Jetzt müssen die fachlich zuständigen Verwaltungsspezialisten mit den Programmierern und Juristen Lösungen für die Fläche entwickeln und mit vernünftigem Projekt-Management umsetzen. Dazu gehören viel mehr Beschäftigte und Investitionen, als bisher in den Ministerien kalkuliert wird. Es setzt im Übrigen auch neue Zusammenarbeitsprozesse voraus. Gesetzgebung nur von Juristen gestaltet, ist oft nicht umsetzbar, vielfach praxisfern und nicht zukunftssicher. Was wir also brauchen ist in allen Bereichen ein Think Big.
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