BundStreit um IT-Konsolidierung?

[24.09.2019] Bei der IT-Konsolidierung Bund werden nicht nur die Meilensteine nicht erreicht, nun droht dem Bundesinnenministerium auch noch ein Rechtsstreit mit einem bundeseigenen IT-Dienstleister. Zudem könnte das BMI die Gesamtprojektleitung an das ITZBund verlieren.

Die IT-Konsolidierung Bund hat sich zu einem Desaster entwickelt. Das teilt Spiegel Online in einem am Freitag (20. September 2019) veröffentlichten Bericht mit. Bei dem 2015 vom Kabinett beschlossenen und ursprünglich auf zehn Jahre angelegten Projekt gehe es zum einen um einheitliche digitale Arbeitsbedingungen für alle Mitarbeiter – etwa die Migration auf das Betriebssystem Windows 10. Zum anderen solle der historisch gewachsene staatliche IT-Wildwuchs aus über die Republik verstreuten annähernd hundert Rechenzentren und 1.245 Server-Räumen zusammengeführt und vereinheitlicht werden. Die ersten Kostenschätzungen dafür lagen 2014 noch bei weniger als einer Milliarde Euro. Ein vertraulicher Rechnungshofbericht lieferte Ende Mai laut Spiegel Online eine vernichtende Zwischenbilanz: „Der Projektfortschritt liegt bei mindestens drei von vier Handlungssträngen hinter den gesteckten Zielen zurück“, hieß es darin, „der Ausgabenbedarf hat sich seit der ersten Schätzung aus dem Jahr 2014 fast verfünffacht“ – auf mittlerweile mehr als 3,4 Milliarden Euro.
Der Haushaltsausschuss hatte wesentliche Teile dieser Mehrkosten bereits im November 2018 gesperrt und der Bundesregierung auferlegt, das Projekt von Grund auf neu zu denken, so der Spiegel. Seit diesem Frühjahr lägen wesentliche Teile der Arbeiten brach und dem Bundesinnenministerium drohe nun auch noch ein Rechtsstreit.

Droht ein Rechtsstreit?

Da sich bereits kurz nach dem Start des Megaprojekts abzeichnete, dass die Digitalinfrastruktur bei den Behörden weitaus unübersichtlicher und heterogener ist als in den Annahmen, beauftragte das Bundesinnenministerium 2016 einen zweiten IT-Dienstleister: die BWI GmbH. Die IT-Tochter der Bundeswehr hatte zuvor mit dem Herkulesprojekt die IT-Konsolidierung bei der Bundeswehr verantwortet und sollte nun zusammen mit dem ITZBund wesentliche Teile des Vorhabens übernehmen, ist dem Spiegel-Bericht weiter zu entnehmen. Die Annahme, man könne dafür die im Rahmen von Herkules entstandene IT-Plattform der Bundeswehr ausbauen erwies sich als gravierende Fehleinschätzung. Die BWI begann deshalb in einem Rechenzentrum in Strausberg mit dem Aufbau einer komplett neuen, zivilen Behördenplattform für die Bundes-IT, so der Spiegel-Bericht. Insgesamt habe das Unternehmen dafür bereits annähernd 40 Millionen Euro investiert.
Darüber hatte das Bundesinnenministerium mit dem Dienstleister allerdings keinen Vertrag geschlossen, sondern ihm nach Spiegel-Angaben lediglich per E-Mail versichert, die anfallenden Kosten sachgerecht abzurechnen. Nach der teilweisen Haushaltssperre und den Warnungen des Rechnungshofs vor diesem „unwirtschaftlichen“ und „unzulässigen“ Vorgehen weigere sich das Ministerium nun seit Monaten, offene Rechnungen der BWI zu begleichen – mit dem Argument, es gebe keinen Vertrag. Insgesamt geht es laut Spiegel um Forderungen von 21 Millionen Euro. Die BWI stoppte deshalb die Arbeiten und beschäftigte externe Mitarbeiter nicht weiter. Nun will der bundeseigene Dienstleister seine Außenstände beim Innenministerium notfalls „gerichtlich durchsetzen“, wie es in einem neuen vertraulichen Entwurf eines Rechnungshofberichts heißt, der in diesen Tagen den beteiligten Häusern zuging, so der Spiegel. Hinzu kämen im Zweifel noch Kosten für die „vollständige Abschreibung“ bereits beschaffter Hardware – alles zulasten des Bundeshaushalts.

ITZBund als zentraler Dienstleister?

Der Rechnungshof äußert in dem Entwurf nach Spiegel-Angaben sein Unverständnis über die Auseinandersetzung, ergreift Partei für den Dienstleister und rügt das Ministerium scharf. Dass es nicht bezahle, sei für die Prüfer nicht nachvollziehbar. Der Dienstleister habe unzweifelhaft Leistungen erbracht, für die er eine Vergütung erwarten könne. Der Rechnungshof drängt die staatlichen Streithähne in seinem Papier zu einer außergerichtlichen Einigung, da sonst mit Prozesskosten von mindestens 617.000 Euro gerechnet werden müsste – wiederum zulasten des Bundeshaushalts.
Nach den jüngsten Plänen zur Neuorganisation des Mammutvorhabens würde das Innenministerium die Gesamtprojektleitung verlieren und das ITZBund zentraler Dienstleister werden, teilt der Spiegel weiter mit. Die BWI ist darin nur noch als dessen Unterauftragnehmer vorgesehen. Zudem soll es ein neues, unabhängiges Controlling geben – angesiedelt im Bundeskanzleramt. Bis spätestens November soll das Kabinett die Neuorganisation beschließen, so der Spiegel-Bericht weiter. Die für 2019 geplanten Meilensteine, heißt es in den Vorschlägen zur Neuorganisation, seien „inzwischen nicht mehr erreichbar“.





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