Schleswig-HolsteinIT-Vorreiter aus dem Norden
Selten war die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit größer als gegenwärtig bei der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen. IT-Dienstleister Dataport ist mit seinen Trägern aus mehreren Bundesländern und den Kommunen aus Schleswig-Holstein ein Inbegriff der IT-Kooperation. Die Zusammenarbeit über Verwaltungsgrenzen hinweg wurde 1968 mit der Datenzentrale Schleswig-Holstein (DZ) begründet (wir berichteten), die ausdrücklich zur IT-Unterstützung der Verwaltung von Land und Kommunen errichtet wurde. Diese Entscheidung war seinerzeit visionär. Denn wer konnte 1968 ahnen, wie tief der Computer den Verwaltungsalltag einmal durchdringen und zu welchen verwaltungsübergreifenden Verflechtungen das führen würde? Ende der 1960er-Jahre hatte die Verwaltung noch recht überschaubare Anforderungen an die IT: Eine Rationalisierung bei der Berechnung von Statistiken oder Löhnen war das Ziel für den Einsatz von Großrechnern.
Aber noch in anderer Hinsicht legte Schleswig-Holstein damals einen Standard, der heute in der öffentlichen IT selbstverständlich ist: Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der DZ wurden sicherheitsüberprüft und auf die Einhaltung des Datengeheimnisses eingeschworen. Schleswig-Holstein hatte damals schon erkannt, dass die Sicherheit zu den unverrückbaren Grundlagen für den IT-Einsatz in der Verwaltung gehört. Und bereits 1977, als Einwohnermeldedaten für die Terrorabwehr eine große Rolle spielten und der Begriff Datenschutz noch weitgehend unbekannt war, hatte die schleswig-holsteinische DZ einen eigenen Datenschutzbeauftragten. Heute gehört das Sichern der digitalen Selbstbestimmung zu den Basics der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung.
Siegeszug von PC und Internet
Disruptive Entwicklungen in der Informationstechnologie sorgten mehrfach für gewaltige Veränderungen in der Verwaltungsarbeit. Die Massendatenverarbeitung auf Großrechnern war bis zu Beginn der 1980er-Jahre die Lösung für eine überschaubare Zahl von Aufgaben: Einwohnermeldedaten etwa oder die Bearbeitung von Massenfällen wie Ordnungswidrigkeiten boten sich an. Gegen Ende der 1970er-Jahre gab es in Schleswig-Holstein dann erste Ansätze für eine Kombination aus dezentralem und zentralem IT-Einsatz. Das Einheitliche Datenerfassungs- und Bearbeitungssystem EDDA ermöglichte erstmals eine Arbeitsteilung zwischen Kommunen und zentralem Rechenzentrum.
Mit dem Siegeszug des Personal Computers in den 1980er-Jahren erweiterten sich die Einsatzmöglichkeiten der IT gewaltig. Bürokommunikationssoftware machte Schreibdienste oft überflüssig, die Verwaltungsmitarbeiter wurden zu Anwendern von Software. Auch kleine Aufgaben ließen sich mit dem PC standardisieren und vereinfachen. Datenspeicherung war dezentral und ohne großen Aufwand möglich. Spezial-Software in Netzwerken erlaubte eine Zusammenarbeit auf elektronischem Wege. Egal ob im Landesministerium oder in der Amtsverwaltung auf dem Land – der PC wurde binnen weniger Jahre zum zentralen Werkzeug der Verwaltung.
Die rasante Entwicklung des Internets seit Mitte der 1990er-Jahre sorgte für die nächste einschneidende Veränderung in der Verwaltungsarbeit. Das Netzwerk für die Zusammenarbeit in der Verwaltung umfasste nicht mehr nur die eigene Dienststelle, sondern die ganze Welt. Die E-Mail wurde nach und nach zum wichtigsten Kommunikationsmedium in der Verwaltung. Über das Landesnetz wurden Zusammenarbeit und IT-Kooperationen möglich, die es zuvor nicht gegeben hatte. Das Tempo des Informationsaustausches vervielfältigte sich. Verwaltungen waren nun im Web präsent, und die Bürger forderten zunehmend, dass die Verwaltung auch online erreichbar ist und sie ihre Amtsgeschäfte elektronisch erledigen können.
OZG und digitale Daseinsvorsorge als Chancen
Die Metamorphose der Verwaltung wird stetig weitergehen und das Tempo der Veränderung weiter steigen. Gerade Flächenländer wie Schleswig-Holstein stehen vor gewaltigen digitalen Herausforderungen und Chancen. Eine davon ist die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) bis Ende 2022. Um bis dahin Online-Dienste in großem Umfang bereitstellen und als Standortfaktor nutzen zu können, ist Kooperation in noch größerer Tiefe gefragt. Schleswig-Holstein ist hier gut aufgestellt: Mit der Online Service Infrastruktur (OSI) besteht gemeinsam mit anderen Bundesländern eine geeignete Plattform, über Dataport wird in einem Netzwerk agiert, das nutzerorientierte Online-Dienste in hoher Stückzahl entwickelt und bereits vorhandene Dienste für alle nutzbar macht.
Die zweite große Herausforderung, der sich Schleswig-Holstein stellt, ist die digitale Daseinsvorsorge und die Gestaltung digitaler Räume. Zur Daseinsvorsorge gehört zum Beispiel die Breitband-Versorgung. Das norddeutsche Bundesland hat sich frühzeitig auf den Weg gemacht, um in der Fläche breitbandiges Internet zur Verfügung zu stellen. Mit der zunehmenden Vernetzung erweitern sich auch die Dimensionen der Daseinsvorsorge. Längst geht es nicht mehr nur um digitale Kommunikation über das Internet. Es eröffnen sich ganz neue Felder: Gesundheit (E-Health, Telemedizin), Bildung (E-Learning, Online-Schulverwaltung), Nahverkehr (E-Mobility, Sharing-Modelle, Mobilitätsplattformen, autonomes Fahren, IoT-basierte Verkehrssteuerung) oder Kultur (E-Culture mit Augmented und Virtual Reality). Am Ende steht die intelligente Verknüpfung von allem: ein datengetriebenes Gemeinwesen. Dazu gehören auch digitale Ökosysteme, in denen Unternehmen, Forschung und Interessengruppen gut vernetzt sind. All das trägt dazu bei, dass nicht zuletzt ländliche Räume im digitalen Zeitalter große Chancen haben.
Digitale Souveränität sichern
Damit auch in Flächenländern wie Schleswig-Holstein alle Bürger gleichermaßen an der Gesellschaft teilhaben können und das Gemeinwohl den Kern jeder Entwicklung bildet, dürfen wir die Entwicklung nicht den großen internationalen Unternehmen überlassen – Bund, Länder und Kommunen müssen sie gemeinsam gestalten. Staat und Gesellschaft müssen ihre digitale Souveränität sichern. Sie müssen die Hoheit über ihre Daten behalten. Das geht nur, wenn der Staat die vollständige Steuerung von gemeinsamen Plattformen behält. Diese Plattformen als Rückgrat der digitalen Gesellschaft müssen deshalb in öffentlich-rechtlicher Hand bleiben.
Digitale Daseinsvorsorge im Flächenland und Sichern digitaler Souveränität – auf diesen Feldern hat Schleswig-Holstein auch in Zukunft Chancen, weitere Akzente in der IT-Landschaft zu setzen, so wie es das Land in den vergangenen 50 Jahren schon mehrfach getan hat.
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