DatenschutzVerantwortung übernehmen

[01.04.2019] Im Interview erklärt der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber, was Behörden und Bürger in Bezug auf Datensicherheit beachten sollten und welche Lehren aus den jüngsten Hacker-Angriffen gezogen werden können.
Bundesdatenschutzbeauftragter Ulrich Kelber

Bundesdatenschutzbeauftragter Ulrich Kelber

(Bildquelle: Susi Knoll)

Herr Kelber, Sie sind Ende vergangenen Jahres zum neuen Bundesdatenschutzbeauftragten (BfDI) gewählt worden. Welche Schwerpunkte haben Sie sich für Ihre Amtszeit gesetzt?

Ein wesentlicher Fokus wird darauf liegen, die Regeln der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) europaweit einheitlich anzuwenden und durchzusetzen. Gerade in Bezug auf die großen internationalen Internet-Firmen haben wir mittlerweile wirksame Mittel, um die Vorgaben der DSGVO auch durchzusetzen. Schließlich geht es beim Datenschutz nicht nur um die Grundrechte einzelner Bürgerinnen und Bürger. Es geht auch um den Schutz unserer freiheitlichen, demokratischen und pluralistischen Gesellschaft. Wer sich ständig überwacht fühlt, egal ob von privaten Unternehmen oder vom Staat, ändert sein Verhalten. Wenn über Personen große Datensammlungen und Verhaltensvorhersagen existieren, können diese leichter manipuliert werden. Das müssen wir verhindern. Nicht unsere Grundrechte müssen sich staatlichem Handeln oder Geschäftsmodellen unterwerfen, sondern Staat und Konzerne müssen sich an unseren Grundrechten ausrichten. Ein weiterer Fokus wird darauf liegen, im Bereich der Informationsfreiheit für noch mehr Transparenz zu sorgen. Hier prüfe ich aktuell, wie der BfDI mit gutem Beispiel vorangehen und aktiv Dokumente veröffentlichen kann, ohne dass es zu einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz gekommen ist.

Gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit herrschte große Aufregung, da Hacker persönliche Daten und Dokumente Hunderter deutscher Politiker öffentlich gemacht haben. Wie bewerten Sie diesen Angriff?

Der Fall reiht sich in eine immer längere Liste von Vorfällen ein, bei denen Daten aus dem Internet unberechtigt abgegriffen und Dritten zugänglich gemacht wurden. Auch wenn dieser Fall in Bezug auf die Quantität ein eher kleinerer war, muss angesichts der Qualität der veröffentlichten Daten, die teilweise sogar Informationen aus den intimsten Lebensbereichen erfassen, von einer massiven Datenschutzverletzung gesprochen werden.

Welche Lehren sollten aus diesem Hacker-Angriff auf Politikerdaten gezogen werden?

Nach allem, was wir wissen, konnten die Daten insbesondere deshalb gesammelt und veröffentlicht werden, weil die Passwörter zu privaten E-Mail-Konten, Cloud-Diensten und sozialen Netzwerken zu leicht zu erraten waren oder durch Phishing-Angriffe oder Ausnutzung von Passwort-Rücksetzungsverfahren erbeutet wurden. Auch wenn wir Missbrauch nie zu hundert Prozent verhindern können, gibt es Maßnahmen, um hier in Zukunft gewappnet zu sein. Nutzer müssen einen besseren Eigenschutz betreiben. Dazu gehören zum Beispiel starke Passwörter, die sich für jeden Dienst unterscheiden, die Nutzung von Zwei-Faktor-Authentifizierung, eine sensibilisierte Verwendung von Cloud-Diensten und der Einsatz von Verschlüsselung auch im privaten Bereich. Ansonsten hilft eine gesunde Skepsis etwa beim Öffnen von E-Mail-Anhängen. Jeder sollte aber auch bei der Nutzung sozialer Medien genau überlegen, welche privaten Details er veröffentlichen möchte. Zudem sollten die Anbieter von Diensten verpflichtet werden, Vorkehrungen zu treffen, um das Risiko entsprechender Angriffe so weit wie möglich zu reduzieren. So dürften beispielsweise zu einfache Passwörter nicht mehr zugelassen werden. Im Fall eines Angriffs müssten die Anbieter schnell und unkompliziert mit den Behörden kooperieren, um den entstandenen Schaden und eine weitergehende Verbreitung von illegal veröffentlichten Daten bestmöglich einzudämmen. Darüber hinaus müssen die Datenschutzaufsichtsbehörden bei Cyber-Angriffen, die auch den Datenschutz gefährden, unverzüglich informiert und eingebunden werden. Wenn die zuständigen Behörden aus den Medien von entsprechenden Vorfällen erfahren, ist das eindeutig zu spät.

Ist ein Rückzug aus den sozialen Medien, wie in Robert Habeck praktiziert, für Politiker das Mittel der Wahl?

Diese Entscheidung muss letztlich jeder selbst treffen. Ich persönlich halte den völligen Verzicht auf soziale Medien, die für viele Menschen heute fest zum Alltag gehören, für falsch. Aber sicherlich ist es wichtig zu überlegen, welche sozialen Medien man nutzt und bedient. Es gibt oft datenschutzfreundliche Alternativen. Ich habe ein Problem mit Geschäftsmodellen, bei denen eine unglaubliche Datenmenge produziert wird, die vielfältige kommerzialisierbare Rückschlüsse auf die Nutzer zulässt, wenn gleichzeitig völlig unklar ist, wie mit diesen Informationen umgegangen wird.

„Bei allen Kanälen, auf denen Behörden kommunizieren, müssen sie sicherstellen, dass die Datenschutzvorgaben beachtet werden.“
Was sollten Behörden, die sensible Bürgerdaten verwalten, in Bezug auf die Datensicherheit beachten?

Alle Behörden sind verpflichtet, geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu treffen, um ein angemessenes Schutzniveau für die verarbeiteten Daten zu gewährleisten. Die Auswahl der Maßnahmen sollte auf der Grundlage einer Risikobewertung erfolgen. Dabei sind Art, Umfang, Umstände und Zwecke der Verarbeitung und das Risiko für die Rechte und Freiheiten des Betroffenen zu berücksichtigen. Konkrete gängige Maßnahmen wären beispielsweise die Zutrittskontrolle zu Räumlichkeiten, die Zugangskontrolle zu den verwendeten IT-Verfahren, die Beschränkung des Zugriffs auf gespeicherte Daten durch ein aufgabenbasiertes Rechte- und Rollenkonzept, der Schutz vor unberechtigtem Zugriff beim Transport oder der Übertragung von Daten, etwa durch Verschlüsselung, die Nachvollziehbarkeit und Dokumentation von Dateneingaben, -pflege und -verwaltung, die Sicherstellung der Verfügbarkeit und der Schutz vor Datenverlusten sowie die Trennung von Daten, die zu verschiedenen Zwecken erhoben werden.

Wie sollten Behörden ihre Mitarbeiter zum Thema Datenschutz sensibilisieren?

Wichtig sind aus meiner Sicht Schulungen durch die behördlichen Datenschutzbeauftragten, die auf die Besonderheiten und Gegebenheiten der jeweiligen Behörde eingehen können. Zudem sollte man mit den Datenschutzaufsichtsbehörden im Austausch stehen.

Wie bewerten Sie Auftritte öffentlicher Verwaltungen bei Facebook und die Kommunikation von Stadtoberhäuptern via WhatsApp?

Bei allen Kanälen, auf denen Behörden kommunizieren, müssen sie sicherstellen, dass die Datenschutzvorgaben beachtet werden. Liegt dies nicht in ihrer Hand, sollten bestimmte Kanäle gemieden werden, um sich nicht der Gefahr auszusetzen, bei Datenschutzverletzungen des genutzten Mediums zur Verantwortung gezogen zu werden. Dies sollte spätestens seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die gemeinsame Verantwortung von Facebook und Fanpage-Betreibern jedem klar sein. Die Datenschutzkonferenz hat dazu eine Entschließung mit dem sehr passenden Titel „Die Zeit der Verantwortungslosigkeit ist vorbei“ herausgegeben. Gerade Behörden sollten hier mit gutem Beispiel vorangehen. Das gilt auch noch für einen anderen Grundsatz: Alle Informationen, die man über Facebook & Co. veröffentlicht, müssen für Bürger auch erreichbar sein, ohne dass dabei ihre Daten abgegriffen werden, etwa via RSS-Feed.

Interview: Alexandra Braun




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: IT-Sicherheit
Das Bild zeigt einen Bildschirm mit Code-Zeilen, davor in roter Warnschrift: Security Alert.

init: Sicherheitsgewinn für Behörden

[17.07.2024] Im Rahmen einer Partnerschaft mit der Deutschen Cyber-Sicherheitsorganisation will init Behörden dabei unterstützen, ihre IT-Sicherheit zu verbessern und auf aktuelle Bedrohungen zu reagieren. mehr...

Das Bild zeigt eine Grafik mit Umfrageergebnissen der Studie Cybersicherheit im Zeitalter von KI.

Cybersecurity: Mangel an Budget in Behörden

[12.07.2024] Die Mehrheit der Führungskräfte in der öffentlichen Verwaltung berichtet von unzureichenden Budgets für Cybersicherheit. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz durch Cyberkriminelle verschärft die Situation, das zeigt eine aktuelle Studie von Sopra Steria. mehr...

Panel von sechs personen in förmlicher Kleidung, dahinter eine mit HPI-Logos versehene Wand, im Vordergrund Stuhlreihen.

BSI: KI-Nutzung soll sicherer werden

[02.07.2024] Die BSI-Präsidentin Claudia Plattner sprach anlässlich der Potsdamer Konferenz für Nationale Cyber-Sicherheit über die allgemein gestiegene Bedrohungslage und nahm insbesondere das Thema KI und deren Rolle bei der gezielten Desinformation in den Blick. Mit KI oder Bots erstellte Inhalte müssten kenntlich gemacht werden. mehr...

Ein digital dargestelltes Türschloss.

Sachsen: 2.300 Datenschutzverstöße

[28.06.2024] In Sachsen erhalten 2.300 Website-Betreiber Post von der Datenschutz- und Transparenzbeauftragten des Freistaats. Sie hat bei ihnen Datenschutzverstöße beim Einsatz von Google Analytics festgestellt. mehr...

Zwei Herren in dunklen Jackets und hellen Oberhemden sitzen an einem Tisch und unterschreiben Dokumente, im Hintergrund aufwändige Holzvertäfelung.

BfDI/ICO: Gestärkte Zusammenarbeit

[18.06.2024] Auch wenn das Vereinigte Königreich kein EU-Mitglied mehr ist, bleiben gute Beziehungen der jeweiligen Datenschutzbeauftragten wichtig. Dies betonte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Ulrich Kelber, anlässlich eines Treffens mit seinem britischen Amtskollegen. Die Behörden wollen künftig stärker kooperieren. mehr...

Das Bild zeigt Tabea Breternitz, die das Public-Sector-Team von Trend Micro verstärkt.

Trend Micro: Verstärkung für Public-Sector-Team

[17.06.2024] Trend Micro, Anbieter von IT-Sicherheitslösungen, erweitert sein Team für die Betreuung von Bundesbehörden in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Mit Tabea Breternitz gewinnt das Unternehmen eine erfahrene Expertin für den öffentlichen Sektor. mehr...

Das Bild zeigt Thomas Popp, CIO des Freistaats Sachsen.

Sachsen: NIS2-Richtlinie umgesetzt

[17.06.2024] Der Sächsische Landtag hat ein neues Gesetz verabschiedet, das die Anforderungen der europäischen Cyber-Sicherheitsrichtlinie NIS2 umsetzt. Behörden müssen nun erweiterte Maßnahmen zur Informationssicherheit einhalten und einen umfassenden Schutz gewährleisten. mehr...

Türschild mit dem Lükex-Logo

LÜKEX 23: Krisen-Management-Übung ausgewertet

[11.06.2024] Im vergangenen Herbst fand die landesweite Krisen-Management-Übung LÜKEX statt, bei der vor allem die Kommunikation der Beteiligten sowie das Zusammenspiel von Krisen-Management und IT-Notfall-Management erprobt wurde. Nun liegen erste Auswertungen dazu vor. mehr...

Cover des Datenschutzberichts Niedersachsen 2023

Niedersachsen: Datenschutzbericht vorgestellt

[10.06.2024] Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen hat seinen aktuellen Tätigkeitsbericht vorgelegt. Dieser enthält neben den üblichen Zahlen zu Meldungen und Verstößen auch konkrete Empfehlungen zur Umsetzung von Datenschutzmaßnahmen. Diese richten sich an Landtag, Regierung und Unternehmen. mehr...

Das Bild zeigt Innenminister Thomas Strobl bei der Übergabe der Ernennungsurkunde als Präsidentin der Cyber-Sicherheitsagentur an Nicole Matthöfer.

Baden-Württemberg: Neue Leiterin der Cyber-Sicherheitsagentur

[03.06.2024] Nicole Matthöfer heißt die neue Leiterin der Cyber-Sicherheitsagentur Baden-Württemberg (CSBW). Innenminister Thomas Strobl überreichte ihr die Ernennungsurkunde und betonte die Wichtigkeit des Themas Cyber-Sicherheit. mehr...

Screenshot eines pixeligen Bildschirms. Zu sehen ist auf dunklem Grund die hellblaue Schrift "Security", eine Mauszeigerhand zeigt darauf.

Mecklenburg-Vorpommern: Angriff auf Internet-Seiten des Landes

[30.05.2024] Den IT-Sicherheitsspezialisten des Landes Mecklenburg-Vorpommern gelang es, einen Angriff auf Internet-Seiten verschiedener Ministerien und der Landespolizei abzuwehren. Dabei handelte es sich nicht um die erste DDoS-Attacke auf Landes-Web-Seiten. mehr...

SEP: Schutz vor Datenverlust

[16.05.2024] Die Back-up- und Recovery-Software SEP sesam sichert geschäftskritische Daten und erfüllt Compliance-Anforderungen. Mit speziellen Lösungen für Behörden bietet SEP ein umfassendes, plattformunabhängiges und DSGVO-konformes Back-up-System. mehr...

Das Bild zeigt das innere eines Cockpits, zu sehen ist auch das Electronic Knee Board.

Bundeswehr: Electronic Knee Boards für Piloten

[15.05.2024] Die Luftwaffe ersetzt herkömmliche Pilotenhandbücher durch Electronic Knee Boards, die vertrauliche Daten mit der sicheren Container-Lösung SecurePIM von Materna Virtual Solution schützen. mehr...

Das Bild zeigt Ministerialdirektor Elmar Steinbacher, Leitende Oberstaatsanwältin Tomke Beddies und Ministerin der Justiz und für Migration Marion Gentges

Baden-Württemberg: Chefin für Cybercrime-Zentrum

[14.05.2024] Die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges hat Ministerialrätin Tomke Beddies zur Leiterin des neuen Cybercrime-Zentrums Baden-Württemberg ernannt. mehr...

Das Bild zeigt das Titelblatt des Bundeslagebilds Cyber-Kriminalität 2023.

Cyber-Kriminalität: Bedrohungslage bleibt hoch

[14.05.2024] Die Bundesregierung und die Sicherheitsbehörden präsentieren das Bundeslagebild Cybercrime für das Jahr 2023. Die Zahlen zeigen einen besorgniserregenden Anstieg der Internet-Kriminalität in Deutschland. mehr...